8 91 Die religiösen Genossenschaften. 399
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II. Bezüglich sämtlicher Kongregationen unterscheidet man, ob sie ermächtigt
und anerkannt oder nicht ermächtigt und nicht anerkannt sind.
1. Die zur ersteren Gruppe gehörenden geistlichen Gesellschaften erlangen durch
die staatliche Autorisation die Rechtsfähigkeit; die einmal verliehene Rechtsfähigkeit
kann ihnen nur wieder durch Gesetz entzogen werden.
Weiterhin muß man innerhalb dieser Gruppe unterscheiden zwischen Männer-
und Frauenkongregationen a) Die Männerkongregationen können die staatliche Autori-
sation durch Gesetz erlangen 3; b) den Frauenkongregationen ist der Erwerb der Rechts-
fähigkeit wesentlich erleichtert. Eine Ermächtigung durch Gesetz ist nur erforderlich"“,
wenn die Genossenschaft erst nach dem 1. Januar 1825 errichtet worden ist, und wenn
sie nicht die Satzungen einer bereits ermächtigten Genossenschaft annimmt; in allen
übrigen Fällen genügt die Ermächtigung durch Dekret des Staatsoberhaupts P. Die
staatliche Anerkennung erfolgt nach Vorlage der Satzungen é.
Wird eine anerkannte Genossenschaft durch Gesetz widerrufen ?, so fallen die
Güter, welche durch Schenkung oder Vermächtnis erworben sind, wieder an die Schenker
beziehungsweise deren Erben oder an die Erben des Erblassers zurück. Die danach
noch verbleibenden Güter werden zur Hälfte kirchlichen Anstalten und zur anderen
Hälfte den Pflegehäusern des Bezirks, in dem die Niederlassung sich befand, zugeteilt.
Die Mitglieder der Genossenschaft erhalten im Falle des Widerrufs einen Anspruch
aus dem Vermögen der Genossenschafts.
2. Die nicht ermächtigten und anerkannten religiösen Genossenschaften? werden
nur als geduldet angesehen und können jederzeit von der Regierung aufgelöst werden.
Sie besitzen keine Rechtsfähigkeit; ihre privaten Rechtsverhältnisse werden nach den
Bestimmungen über Gesellschaften oder nicht rechtsfähige Vereine beurteilt.
III. Die Verfassung der anerkannten Genossenschaften beruht auf ihrer Satzung,
die vor der Erteilung der Genehmigung vorzulegen ist. Die Mitgliedschaft wird in
der Regel von der Ableistung gewisser Gelübde abhängig gemacht; trotz der Gelübde
können die Mitglieder jederzeit, auch vor Ablauf der Zeit, für die sie sich verpflichtet
haben, wieder aus der Genossenschaft austreten. Minderjährige Personen bedürfen zur
Ablegung des Gelübdes der für die Eheschließung erforderlichen Einwilligungen 10.
Eine Frauensperson kann sich vor vollendetem 16. Lebensjahre überhaupt nicht,
vom 16. bis 21. Lebensjahre nur auf je ein Jahr, und erst vom 21. Lebensjahre an
auf je fünf Jahre verpflichten. Der Eintritt in die Genossenschaft hat für die Mit-
glieder derselben keine Beschränkung der Geschäfts= und Erwerbsfähigkeit (bürgerlicher
Tod) zur Folge.
Die Vertretung der Genossenschaft nach außen erfolgt durch einen Oberen.
Zu Erwerbs= und Veräußerungshandlungen von Gegenständen im Werte von mehr
als 5000 Mk. bedarf die Genossenschaft der Genehmigung des Ministeriums !. Zur
Annahme von Schenkungen im Werte von unter 5000 Mk. ist keine, bei solchen im
Werte bis zu 12 000 Mk. die Genehmigung des Ministeriums und bei einem darüber
l auch Heimbucher, Die Orden und Konzregationen der katholischen Kirche, Teil 1—3,
1907, 7 Heiner, Katholisches Kirchenrecht, S. 3
2 Sie gehören zu den tublissements d’utilité loblicue im verwaltungsrechtlichen Sinne.
Leoni-Mandel S. 102; Molitor-Stieve S. 33f.
* Ges. v 2. Jan. 1817:; Dalloz, Rép. culte, Nr. 417 f.; Sboon. Nr. 287; Staatsrat-
gutachten v. 9. Juli 1832 und v. 19. April. 1836; Dursy 1 S. 322. er abweichende Ansichten
vgl. Molitor-Stieve S. 33f.; Kisch S. 34.
Art. 2 Ges. v. 24. Mai 1825; Art. 1 Dekr. v. 31. Jan. 1852.
5 Ein solches Letrei ist auch ausreichend, wenn eine bereits ermächtigte Genossenschaft eine
selbständige Niederlassung gründen will, oder wenn mehrere Genossenschaften zu einer einzigen ver-
einigt werden sollen. Dekr. v. 31. Jan. 1852 Art. 1 Ziff. 1, 3, 4. Leoni-Mandel S. 298.
1652 7 ii Auch Anderungen der Satzungen bedürfen der staatlichen Genehmigung. Dekr. v. 21. Jan.
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- Cass z#u genüggt für den Widerruf eine Kais. Verordnung.
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*Vol. Manrtna in 8 .I. 3. 20 S. 526f.
10 Ai 7, 8 Dekr. v. 18. Febr. 1809.
Ges. v. 24. Mai 1825 Art. 4 Ziff. 2 u. 3.