Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

28 Zauweiter Teil. Die Verfassung Elsaß-Lothringens und die Behördenorganisation. 8 8 
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lediglich auf dem politischen Interesse des Staates, sich gegen solche Angriffe zu schützen. 
Die Verletzung der Treupflicht in konzentriertester Form nennt man Verrat, und man 
unterscheidet hierbei wieder Hoch= und Landesverrat 4. 
II. Die Rechte der Staatsangehörigen. Auch bezüglich der Rechte der 
Staatsbürger wird gewöhnlich unterschieden, ob sie gegenüber dem Reich oder dem 
Einzelstaat bestehen. Wie Laband (1 150) mit Recht hervorhebt, wird der Begriff 
des Staatsbürgerrechts fast durchweg in der Literatur in einem Sinn genommen, in 
welchem völlig Verschiedenes zusammengeworfen wird. „Man rechnet nämlich hierher 
teils die politischen, teils die bürgerlichen Rechte, d. h. die Vorrechte der Einheimischen 
vor den Fremden, teils die sogenannten Freiheits= oder Grundrechte.“ Aber es 
enthalten diese Kategorien überhaupt keine Rechte im subjektiven 
Sinne. Es handelt sich hierbei lediglich um Reflexwirkungen staatlicher Grundsätze 
und Einrichtungen, die mit dem Wegfall dieser ebenfalls ohne weiteres verschwinden 5. 
Als Inhalt des Staatsbürgerrechts ist vielmehr nur anzuerkennen der Anspruch 
des einzelnen Bürgers auf Durchführung des Staatszwecks und der Staatsaufgaben 
durch den Staat, und zwar nach innen und nach außen. Im einzelnen hat der Staats- 
bürger Anspruch auf: 
1. Schutz im Inland: Die ursprünglichste, natürlichste und wichtigste Seite 
des Staatsbürgerrechts in dem entwickelten Sinne ist der Anspruch, im Staat, d. h. 
im Gebiet und unter dem Schutz des Staates leben zu dürfen (Wohnrecht). Zum 
Unterschied hiervon ist der Ausländer nur geduldet 6. Er kann jederzeit aus dem 
Landesgebiet verwiesen, oder es kann sein Aufenthalt zeitlich oder örtlich beschränkt 
werden (vogl. 8§ 39 II, 184 II, 362 III St.G.B.). Ein Reichsangehöriger kann da- 
gegen nicht aus dem Reichsgebiet ausgewiesen werden 7. 
Das Freizügigkeitsgesetz vom 1. November 1867 § 1 (in Elsaß-Lothringen eingeführt 
durch Reichsgesetz vom 8. Januar 1873 R. G. Bl. S. 51) hat dieses Grundrecht jedes 
deutschen Staatsbürgers ausdrücklich gewährleistet. Eine Erschwerung der Bedingungen 
durch die Landesgesetzgebung ist ausgeschlossen. Die Vorschriften über die Anmeldung 
der Neuanziehenden bleiben dem Landesgesetz mit der Maßgabe vorbehalten, daß die 
unterlassene Anmeldung nur mit einer Polizeistrafe, niemals aber mit dem Verlust des 
Aufenthalts geahndet werden darf (§ 10 Freiz. Ges.). Jeder Deutsche hat sonach das 
Recht, innerhalb des Reiches an jedem Ort sich aufzuhalten oder niederzulassen, wo er 
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen sich zu verschaffen imstande ist. Die drei 
Voraussetzungen: Reichsangehörigkeit, Wohnung oder Unterkommen und Selbständigkeit 
Besonders zum Ausdruck kommt die Treupflicht in den §5 27 u. 28 des Staatsangehörig- 
keitsgesetzes v. ###enen. Durch diese Bestimmungen sind die Art. 17 u. 18, Dekr. v. 26. Aug. 1811 
(Bull. des Lois, Série IV. Nr. 7186), nicht aufgehoben, da die §§ 20, 22 nur die Wirkung des 
Eintritts in den fremden Staatsdienst in bezug auf die Frage der Staatsangehörigkeit regeln und 
daher der Aufstellung anderweiter Beschränkungen durch Landesgesetz nicht im Wege stehen (Seydel 
5 *- es sind aber mit der Zuwiderhandlung keine Rechtsnachteile mehr verbunden. (Leoni 
. 
5 Die französischen Staatsrechtslehrer kennen noch durchgängig den Begriff der „droits 
publics“, wie sie in der berühmten „déclaration des droits de Phomme“ v. 3.—14. Sept. 1791 
enthalten sind (ogl. Hauriou, Préeis de droit administratif, 2. A., S. 79 f.; Lebon, Staats- 
recht der franz. Republik, S. 174 f., u. auch Leoni S. 391. Indessen bedeutet die Hervorhedung 
gewisser Betstigungen der natürlichen Handlungsfreiheit des Menschen nur eine historische Reminiszenz 
an frühere Ubergriffe der Staatsgewalt. Die Anerkennung der Freiheitsrechte r nur die Negation 
der früheren Beschränkungen. (So Seydel, Bayer. Staatsrecht, 1 S. 300; Jellinek, System 
des fubj. öff. R., S. 71, 94 . And. Ans. Zorn I S. 371; Loening, Verwaltungs-R., S. 13; 
Vogel, Bayer. Staatsrecht, S. 135; Tezner, Grünhuts 3. 21 S. 135.) 
6 Vertragsmäßig kann ein Wohnrecht auch einem Fremden eingeräumt werden; es kommen 
hier Staatsverträge in Frage. Die wichtigsten Fälle sind der Niederlassungsvertrag mit der Schweiz 
v. 31. Mai 1890 (N.G. Bl. 1890 S. 131) und mit den Niederlanden v. 17. Dez. 1904 (R.G.Bl. 1906 
S. 879). Vgl. v. Overbeck, Niederlassungsfreiheit u. Ausweisungsrecht, 1907, S. 37 f.; A. Hein- 
richs, Deutsche Niederlassungsverträge und Übernahmeabkommen. 1908. Vgl. hierzu jetzt den 
Staatsvertrag zwischen dem Reich und der Schweiz v. 31. Okt. 1910 (R.G.Bl. 1911 S. 892.. 
7 Im Zusammenhang hiermit steht der Grundsatz des § 9 Str. G. B., daß kein Deutscher einer 
fremden Regierung zur Verfolgung oder Bestrafung ausgeliefert werden darf.
	        
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