* 8 Die Rechte und Pflichten der Staatsangehörigen. 29
sind erforderlich, aber auch ausreichend #8. Daß neben der Reichsangehörigkeit auch die
Staatsangehörigkeit eine gewisse Bedeutung beansprucht, zeigt sich auch hier, und zwar
wird Elsaß-Lothringen in dieser Beziehung den Bundesstaaten gleich behandelt. Das
Wohnrecht im Reich ist nämlich in zweifacher Richtung eingeschränkt: a) Jede Gemeinde
hat das Recht, einen Neuanziehenden abzuweisen und selbst die Fortsetzung des be-
gonnenen Aufenthalts zu untersagen, wenn sie den Beweis erbringt, daß der An-
ziehende nicht hinreichende Mittel besitzt, um sich und seinen nicht arbeitsfähigen
Angehörigen (d. h. den in seinem Hausstand lebenden Verwandten, zu deren Alimen=
tierung er gesetzlich verpflichtet ist) den notdürftigen Lebensunterhalt zu gewähren. Eine
nur vorübergehende Notlage oder die bloße Besorgnis vor künftiger Verarmung be-
berechtigt nicht zur Abweisung (§ 4 Freiz. Ges.). Die Fortsetzung des schon begonnenen
Aufenthalts kann von dem Gemeindevorstand untersagt werden, wenn sich nach dem
Anzuge, aber vor dem Erwerb des Unterstützungswohnsitzes die Notwendigkeit ergibt,
dem Neuzugezogenen persönlich oder seinen unselbständigen Angehörigen eine öffent-
liche Armenunterstützung zuteil werden zu lassen v, und wenn diese Unterstützung aus
anderen Gründen als wegen einer bloß vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit notwendig
geworden ist 10. b) Das Wohnrecht im Reich ist eingeschränkt durch die der Polizei
gesetzlich eingeräumten Internierungs= und Ausweisungsbefugnisse: a) Bestraften Per-
sonen, welche auf Grund eines richterlichen Erkenntnisses unter Polizeiaufsicht gestellt
sind (§ 39 St. G. B.) kann von der höheren Landespolizeibehörde (Bezirkspräsidium)
der Aufenthalt an bestimmten Orten untersagt werden (§ 28 St.G.B.) 3) Vorläufig
entlassene Strafgefangene (§ 23 St.G.B.), die bis zum Ablauf der Strafzeit unter
polizeilicher Kontrolle stehen (ausgeübt durch die Polizei= bzw. Kreisdirektion), dürfen
ohne ortspolizeiliche Erlaubnis den Entlassungs= oder späteren Aufenthaltsort auf länger
als 48 Stunden nicht verlassen und an einem anderen Ort nicht ohne Erlaubnis der
Ortspolizeibehörde auf länger als 48 Stunden Aufenthalt nehmen 11. J) Personen,
welche den oben unter a) und 9) bezeichneten Aufenthaltsbeschränkungen in einem
anderen deutschen Staat im Laufe der letzten 12 Monate wegen wiederholten Bettelns
oder wegen wiederholter Landstreicherei bestraft worden sind, kann der Aufenthalt in
Elsaß-Lothringen von der Landespolizeibehörde verweigert werden 12. 5) Betreffs der
Jesuiten gelten die Beschränkungen des Reichsgesetzes vom 4. Juli 1°72 und Bek.
R.K. vom 5. Juli 1872 (R.G.Bl. S. 506) in Verbindung mit R.G. vom 8. März
1904 (R.G.Bl. S. 139), ferner Bek. B. R. v. 28. Nov. 1912 (R. G. Bl. S. 533).
In bezug auf Landesangehörige kann die Landespolizeibehörde das ihr nach
§ 3 Abs. 2 Freiz. Ges. zustehende Recht der Landesverweisung richtiger Ansicht nach
nicht ausüben 1“.
2. Die Betätigung sogenannter politischer Rechte: Sie bilden den eigent-
lichen Ausdruck für die Fortdauer der Staatsangehörigkeit in den einzelnen Bundes-
* Ob das Unterkommen ein ausreichendes, ob die Wohnung aus eigenen oder fremden Mitteln
bezahlt wird, ist unerheblich. Der Mangel der Selbständigkeit (der Begriff deckt sich mit Geschäfts-
fähigkeit) wird ersetzt durch die Genehmigung des gesetzlichen Veritreters des Neuanziehenden. Die
Ehefrau bedarf der Genehmigung des Ehemannes. § 2 Freiz.Ges., Art. 37 E.G. B.G B.
° Reger. E. 4 S. 85; bayr. Verw. Ger. Hof v. 13. März 1888.
10 Die tatsächliche Ausweisung aus einem Ort darf erst erfolgen, nachdem die Aufnahme des
Auszuweisenden durch Erklärung der verpflichteten Gemeinde oder Entscheidung der Verwaltunge-
behörde GEcirtpräfiden feststeht. Leoni S. 35.
11 Minist. Verf. v. 28. Aug. 1880. Sammlg. 5 S. 291.
13 R.G. v. 19. Juni 1882. E. (Str.) 6 S. 378.
13 Hierher zu rechnen sind in gewissem Sinne auch die den gewerbsmäßigen Dirnen auf-
erlegten Beschränkungen. Dagegen bestehen landesgesetzliche Kestimmungen, die bestrafte Personen
ganz allgemein polizeilichen Aufenthaltsbeschränkungen unt. rwerfen, in E.-L. nicht.
14 Vgl. Vogt, Els.-lothr. Jur. Z. 14 S. 414 .: Seydel, in Hirths Annal. 1890 S. 173,
u. E. Mayer, ebenda S. 561; Leoni S. 86: Laband I S. 159 N. 1. Durch einen Plenar-
beschluß des Bundesrats v. 9. Juni 1894 zur Auslegung des § 3 II FreigGen, haben sich die Bundes-
regierungen dahin geeinigt, daß Personen der Aufenthalt in einem Bundesstaat nicht verweigert
werden darf, wenn sie in diesem Staat die Staatsangehörigkeit oder einen Unterstützungswohnsitz
(Heimatsrecht) besitzen. Bei Vorhandensein dieser Voraussetzungen darf die Übernahme eines Aus-
T- tz den Behörden eines Bundesstaats nicht verweigert werden. Reger, E. 14 S. 441;
ahn S. .