Vorwort. V
Vorwort.
Eine Neubearbeitung des elsaß-lothringischen öffentlichen Rechts erscheint einmal
deshalb geboten, weil die früheren, die gleiche Materie behandelnden Arbeiten größten-
teils veraltet sind, und sodann, weil mit dem Verfassungsgesetz von 1911 die staats-
rechtliche Entwicklung des Reichslandes auf absehbare Zeit hin zu einem gewissen
Abschluß gekommen sein dürfte. ·
Auf dem Gebiete des Verwaltungsrechts stehen zwar gewisse Reformen in
Aussicht, so namentlich die Reform der direkten Steuern, und ferner auch gewisse
Neuerungen auf dem Gebiete der inneren Verwaltung (Abschaffung der Bezirkspräfidien,
Verwaltungsgerichtshof); von diesen Reformen wird aber die erstere bis zu ihrer
praktischen Durchführung immerhin noch mehrere Jahre beanspruchen, während es
betreffs der letzteren überhaupt zweifelhaft erscheint, ob sie in absehbarer Zeit zustande
kommen wird. Gerade in letzter Zeit sind wieder Stimmen laut geworden, die aus
mehr oder weniger stichhaltigen Gründen die Beibehaltung der Bezirkspräsidien fordern.
Sollten die geplanten Reformen, die naturgemäß keinen allzu weiten Umfang
einnehmen kinnen, zustande kommen, so ist für diesen Fall die Herausgabe eines kleinen
Ergänzungsheftes zu vorliegendem Werke geplant.
Was nun die Anlage des Buches betrifft, so ist sie in der für die Sammlung
„Das öffentliche Recht der Gegenwart“ maßgebenden Form gehalten. Bei der außer-
ordentlichen Fülle des Stoffes war es schwierig, den vorgeschriebenen Seitenumfang
einzuhalten, was schließlich nur dadurch gelungen ist, daß an zahlreichen Stellen kleiner
Druck verwendet wurde. Mit Rücksicht auf den beschränkten Raum ist auch die sonst
übliche geschichtliche Einleitung hinweggefallen; wer sich wirklich für die Geschichte,
namentlich die Verfassungsgeschichte, des Reichslandes interessiert, mag darüber eines
der bekannteren Werke! nachlesen.
Bei einer ganzen Reihe wichtigerer Materien sind die Akten des Mini-
steriums benutzt worden; für das mir hierdurch bewiesene Entgegenkommen spreche
ich den damaligen Abteilungsvorständen meinen verbindlichsten Dank aus. Im übrigen
ist die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Colmar, soweit Fragen des
öffentlichen Rechts in Betracht kommen, tunlichst vollständig, und ferner die Recht-
sprechung des Kaiserlichen Rates, des Reichsgerichts sowie anderer Gerichtshöfe
soweit verwertet worden, als eine Anwendung auf elsaß = lothringische Verhältnisse
überhaupt möglich war.
Da das elsaß-lothringische Verfassungs= wie das Verwaltungsrecht noch großen-
teils auf französisch-rechtlichen Grundlagen ruht, ist auch die französische Literatur und
1 Die Bücher von Lorenz und Scherer, Geschichte des Elsasses, 1886, und von Derichs-
weiler, Geschichte von Lothringen, find bereits veraltet. Eine brauchbare kurze Ubersicht gibt
v. Wesendonck in seiner Dissertation über das verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen E.-L.
und dem Reich, 1913. Vgl. ferner F. Wündisch, Geschichtsübersicht für E.-L., 1914.