Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

38 Zweiter Teil. Die Verfassung Elsaß-Lothringens und die Behördenorganisation. § 11 
in Elsaß-Lothringen infolge Gesetzes vom 9. Juni 1871 dem Kaiser zu; die Rehabilitation 
setzt voraus, daß seit der Verbüßung bzw. dem Erlaß der Strafe zwei Jahre verstrichen 
sind. Von der an sich zulässigen Delegation des Begnadigungsrechts ist in Elsaß- 
Lothringen gemäß § 1 des Gesetzes vom 4. Juli 1879 (das dem Kaiser gestattet, landesherr- 
liche Befugnisse auf den Statthalter zu übertragen) teilweise Gebrauch gemacht worden 2. 
Die Einreichung eines Gnadengesuches hat die Wirkung der Hemmung der Straf- 
vollstreckung ?21 22. 
  
Zweites Kapitel. 
§ 11. Der Bundesrat. Der eigentliche Träger der Souveränität im Deutschen 
Reiche ist der Bundesrat. Aber wie der Kaiser eine doppelte Stellung einnimmt, indem 
er einmal Organ des Reiches ist und dann in seiner Eigenschaft als König von Preußen 
Mitgliedschaftsrechte hat, so muß man auch beim Bundesrat zweierlei in ihm zur Ver- 
körperung gelangende Funktionen unterscheiden, nämlich einmal diejenige als Organ des 
Reiches und sodann diejenige als Institution zur Betätigung der Mitgliedschaftsrechte 
der Einzelstaaten. 
I. Da Elsaß-Lothringen zur Zeit der Gründung des Deutschen Reiches kein 
Bundesmitglied war, sondern durch den Friedensvertrag mit Frankreich als Objekt in 
den Befitz des Deutschen Reiches gelangte, mußte ihm aus natürlichen und rechtlichen 
Gründen eine Vertretung im Bundesrat versagt bleiben. Die tatsächliche Unhaltbarkeit 
und die Unbilligkeit dieses Zustands gegenüber Reichsangehörigen, wie die Elsaß- 
Lothringer es doch geworden waren, führten, namentlich auf die Initiative Bismarcks 
hin, zur Schaffung des §7 des Gesetzes vom 4. Juli 1879; durch diese Bestimmung erhielt 
der Statthalter das Recht, zur Vertretung der Vorlagen aus dem Bereiche der Landes- 
gesetzgebung sowie der Interessen Elsaß-Lothringens bei Gegenständen der Reichsgesetz- 
gebung Kommissare in den Bundesrat abzuordnen, die an dessen Sitzungen mit beratender, 
nicht dagegen mit beschließender Stimme teilnehmen durften. Aber dieses Auskunfts- 
mittel erwies sich bald als unzureichend, und namentlich bei den großen wirtschaftlichen 
Interessen, die das Reichsland zu vertreten hatte, zeigte es sich deutlich, daß ohne eine 
stimmberechtigte Vertretung Elsaß-Lothringens im Bundesrat die Landesinteressen nicht 
die gebührende Beachtung fanden m. Wenn gleichwohl die Regierung bei der Vorlage 
und bei der Beratung eines neuen Verfassungsgesetzes sich nicht dazu verstehen konnte, 
eine Anderung in diesem Punkte vorzuschlagen, so geschah dies nicht aus Mangel an 
Wohlwollen oder in Verkennung der berechtigten Interessen des Landes, sondern deshalb, 
weil einer Verleihung von Bundesratsstimmen an Elsaß-Lothringen erhebliche staats- 
rechtliche und politische Bedenken entgegenstanden 2. Staatsrechtliche Bedenken insofern, 
nicht verwechselt werden; jene, dagegen nicht diese ist ein Recht des Verurteilten. Vgl. Delaquis, Die 
Rehabilitation Verurteilter, 1906, und ders., Die Rehabilitation im Strafrecht. 1907. Die Löschun 
einer Strafe im Strafregister gemäß Ziff. II der Beschlüsse des Bundesrats v. 17. April 1913 (Zentr.Bl. 
. d. D. R. S. 495) kann nach elsa „lothr. Recht erst in Frage kommen, wenn eine Rehabilitation 
attgefunden hat. Bezüglich der Rehabilitation vgl. Verf. d. O. St. A. v. 4. Jan, 1887 (Sammlg. 12 
S. 4) u. 22 S. 578; O. L.G. Colmar v. 26. Sept. 1896. Elf. I. Z. 22 S. 47. Über Rehabilitation 
nach vorausgegangenem Konkursverfahren dgl. 8§ 31 A.G. C. P.O. 
20 Vgl. Allerh. Verordn. v. 23. Nov. 1907 Ziff. 2, serner Gesetz v. 24. Juli 1907 § 60, 
wonach das Ministerium befugt ist,. Geldstrafen zu erlassen oder zu ermäßigen. 
21 Min. Verf. v. 22. Aug 1905 (Sammlg. 29 S. 401). Die Berichterstattung über das Gesuch 
erfolgt unter Beifügung der Urteilsabschrift. Vgl. Verf. d. Gen. Prokur. v. 10. Dez. 1871 und v. 
36. Okt. 1873 nebst Min. Verf. v. 5. Juni 1882. 
:2 Uber die sogen. bedingte Begnadigung val. Allerh. Erl. v. 5. Febr. 1896 (Centr.Bl. 
S. 29); Min. Verf. v. 16. Febr. 1896, betr. Aussetzung der Strafvollstreckung behufs eventueller Be- 
Hedigun (Smlg. 21 S. 38); ferner v. 5. Mai 1899 (Smlg. 24 S. 384); v. 28. Juni 1902 (Sulg. 
7 S. 213); v. 28. Jan. 1903 (Sulg. 28 S. 15); v. 8. März 1907 (Forstsachen) (Sulg. 30 S. 287); 
v. 14. Okt. 1907 (Smlg. 30 S. 598). 
(S 11 1 Eine Besserung dieser Lage würde allerdings dadurch vielfach herbeigeführt, daß Mitglieder 
der elsaß-lothr. Regierung (Staatssekretär und Unterstaatsfekretäre) zu preußischen Bevollmächtigten 
ernannt worden sind. Uber den Bundesrat als Reichsorgan vgl. vor allem die Darstellung bei 
Laband Il S. 233 f.; ferner Rosenberg in den Preuß. Jahrb. Bd. 109 S. 420 f.; Aloys 
Vogels, Die staatsrechtliche Stellung der Bundesratsbevollmächtigten, 1911. 
2 Val. Schulze, Verfass., S. 15 f.
	        
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