40 Zweiter Teil. Die Verfassung Elsaß-Lothringens und die Behördenorganisation. 8 11
Stimmen einfach nicht gezählt (Art. 7 R.V.). Eine bestimmte Zahl von Vertretern
ist zur Beschlußfähigkeit des Bundesrats nicht erforderlich 7.
Die Teilnahme an dem Bundesrat wird seitens der Einzelstaaten durch „Ver-
treter“ und „Bevollmächtigte“ (Art. 6 R.V.) bewirkt, die den Willen ihres Staates
zum Ausdruck bringen". Jedes Mitglied des Reiches kann deshalb, wenn es mehrere
Stimmen führt, dieselben nur einheitlich abgeben. Auf die Zahl der Vertreter,
welche an der Bundesratssitzung teilnehmen, kommt es nicht an, da die Stimmenzahl
eines jeden Bundesstaats eine konstante ist. Es ist daher auch prinzipiell den Einzel-
staaten überlassen, so viele Bevollmächtigte zum Bundesrat zu entsenden, als sie es für
zweckmäßig halten; eine Schranke ist nur durch die Stimmenzahl als solche gegeben 5.
Jeder Staat kann jedoch beliebig viel Stellvertreter für die Bevollmächtigten zum
Bundesrat ernennen .
Die Erteilung der Instruktion an die Bevollmächtigten ist ausschließlich Sache
der Regierung und steht unter den Regeln des Landesstaatsrechts. Einer Mitwirkung
des Landtages bedarf es in keinem Fall, jedoch kann eine solche Mitwirkung (in begut-
achtender Form) auch nichts schaden. Da es sich um einen Regierungsakt handelt,
muß sich der Landesherr bzw. der Statthalter in Elsaß-Lothringen der Mitwirkung
der verfassungsmäßigen Behörden (Ministerium) geradeso gut bedienen wie bei jedem
anderen Regierungsakt; es bedarf also z. B. der Gegenzeichnung seitens des verant-
wortlichen Ministers, der dadurch die Verantwortlichkeit für diesen Staatsakt übernimmt 7.
Der Bundesrat erledigt seine Geschäfte in Bundesratsausschüssen 3, es sind das
Kommissionen des Bundesrats zur Vorbereitung der Bundesratsbeschlüsse. Innerhalb
der Ausschüsse führt jeder Staat nur eine Stimme (Art. 8 R.V.). Unter diesen
Ausschüssen ist hier besonders erwähnenswert der Ausschuß für Elsaß-Lothringen
(bestehend aus sieben Mitgliedern und zwei Stellvertretern). Dieser Ausschuß ist zum
Unterschied von den übrigen Ausschüssen, die für bestimmte Materien eingerichtet find,
für ein bestimmtes geographisches Gebiet bestellt .
III. Elsaß-Lothringen sind im Bundesrat drei Stimmen zugeteilt; es entspricht
dies, was seine Größenverhältnisse anlangt, dem allgemeinen Stimmenverhältnis der
* So Laband I S. 242; G. Meyer § 124; Seydel S. 135.
Nicht entscheidend ist die fubjektive Ansicht des Bevollmächtigten; sein Auftrag unterscheidet
sich sonoch wesentlich von dem eines Reichstagsmitglieds. Aus der eigenartigen Stellung der
Bundesratsbevollmä tigten ergibt sich auch, daß sie nicht gleichzeitig Mitglieder des Reichstags sein
können. Art. 9 R.V. Dagegen können sie, auch wenn sie von der Majorität des Bundesrats über-
stimmt worden sind, ihre Ansichten (d. h. diejenigen ihrer Regierung) im Reichstag vortragen. Als
beollmächtigter Geschäftsträger ihrer Staaten genießen die Bundesratsbevollmächtigten den üblichen
diplomatischen Schuy Art. 10 R.V.
8 Die Bundesratsbevollmächtigten sind keine Reichsbeamte, vielfach aber, wenn auch nicht
notwendig, Landesbeamte. Sie sind als Mandatare ihrer Regierung dafür verantwortlich, daß sie
instruktionsgemäß gestimmt haben. Gegebenenfalls entscheidet das Landesbeamtengesetz. Str. P.O.
§§ s 49 Abs. 2. 72; C. P.O. 88 382 Abs. 2, 402; Mil. Str. G. O. #§ 207, 208.
* Vgl. Perels, Stellvertretende Bevollmächtigte zum Bundesrat, und Vogels im Arch. f.
öff. R. 27 S. 69. Die Befugnis, Stellvertreter zu ernennen, ergibt sich nicht aus der R.V., wohl
dagegen aus der Geschäftsordnung des Bundesrats (in der Fahug v. 26. April 1880 § 1). Es
wird nicht etwa für jeden Haup bevollmächtigten für den Fall seiner Verhinderung ein Vertreter
bestellt, sondern es wird neben der zahlenmäßig begrenzten Reihe von Hauptbevollmächtigten eine
nicht begrenzte Anzahl von Vertretern dieser Gauszberblmächtigten ernannt; diese letzteren sind
juristisch nicht Vertreter der Hauptbevollmächtigten, sondern Vertreter ihres Bundesstaats. Sämtliche
Regeln, die für die ordentlichen Bevollmächtigten gelten. gelten auch für diese außerordentlichen Ver-
treter. (Laband 1 S. 245; Perels S. 264.) Die Mannigfaltigkeit der Geschäfte, die namentlich
in den Ausschüssen zu bewältigen sind, hat zur Einführung dieser außerordentlichen Vertreter geführt.
Nach § 41 der rev. Geschäftsordnung können stellvertretende Bevollmächtigte, welche nicht an die
Stelle von Hauptbevollmächtigten getreten sind, den Sitzungen des Bundesrats und der Ausschüsse
beiwohnen, ohne an den Beratungen teilzunehmen.
7 Der Bundesrat hat das Recht und die Pflicht. die Vollmacht seiner Mitglieder, dagegen
nicht deren Auftrag oder Instruktion zu prüfen. Laband 1 S. 249. * Z
s Agl. die Geschäftsordnung für den Bundesrat v. 27. Febr. 1871, revidiert 26. April 1880,
abgedruckt bei Triepel, Quellensemmlung z. Reichsstaatsrecht, 2. Ausg., S. 227. «
VDieEintichtungdiesesAusschussesberuhtqufeinemBeschlußdesBundesratsmALMm
1871 (Prot. § 272). Die Wahl von zwei Stellvertretern wurde erst nachträglich beschlossen (Prot.
1871 § 307). Laband 1 S. 292.