8 12 Der kaiserliche Statthalter. 49
Schaffung einer doppelten Statthalterschaft und damit die Schaffung eines vermehrten
Beamtenapparats zur Folge.
Das Gesetz spricht von „landesherrlichen Befugnissen“, ohne sie näher zu be-
zeichnen. Der Kaiser ist also bei ihrer ubertragung an keine Schranken gebunden 15,
er könnte sogar alle seine landesherrlichen Befugnisse übertragen 17.
Welche landesherrlichen Befugnisse in Frage kommen, ist aus dem Landesrecht,
und zwar auch aus dem vor 1871 bestehenden französischen Verfassungsrecht (Verf.
vom 14. Januar 1852) abzuleiten. Gewisse Anhaltspunkte gewähren die Motive zum
Gesetz von 1879 (Mot. S. 8); es kommen Angelegenheiten von lokaler Bedeutung in
Frage, die mehr in den Bereich der Verwaltung als der Regierung gehören („Akte
der Regierungsgewalt, welche dem administrativen Gebiete angehören und in den Bereich
der Spezialdekrete fallen"). Die bisher erlassenen kaiserlichen Verordnungen weisen
auch durchgängig einen typischen Inhalt auf 18; es sind Befugnisse, wie sie in den
16 O. Mayer, Franz. Verw.R., S. 41.
11 Weyrich, Die staatsrechtliche Stellung des Statthalters (Straßburg. Diss. 1911), meint
richtig, daß, wenn das Gesetz von den landesrechtlichen Befugnissen spräche, nur alle oder gar keine
übrftragen werden könnten. And. Ans. K. Schulze, Die staatsrechtliche Stellung des Statthalters
(Diss. .
18 Es sind dies die auf Grund § 1 Ges. v. 1879 (der sich inhaltlich mit § 3 V.G. deckt) er-
gonzenen Verordnungen v. 23. Juli 1879 (R.G. Bl. S. 282), 28. Sept. 1885 (R.G.Bl. S. 273);
5. Nov. 1894 (R. G. Bl. S. 529), 23. Nov. 1907 (R.G. Bl. S. 759).
Durch die Verordnung v. 23. Nov. 1907 sind auf den Statthalter folgende landesherrliche
Befugnisse Übertragen worden:
1. Die Vollziehung der Verordnungen, welche zum Gegenstand haben:
die Berufung sowie die Schließung der Bezirkstage und der Kreistage;
die Feststellung der Haushaltsetats der Bezirke und der Wohltätigkeitsanstalten sowie das
Rechnungswesen der Bezirke;
Abänderungen in der Umgrenzung der Kreise und der Gemeinden;
die Verteilung der gesetzlichen Zahl der Mitglieder der Kreisvertretung auf die Kantone
der Landkreise;
die Auflösung von Kreistagen und von Gemeinderäten;
die Ermächtigung von Bezirken, Gemeinden und öffentlichen Anstalten zur Aufnahme
von Anleihen; -
die Ernennung und Entlassung der Bürgermeister und Beigeordneten;
die Gleichstellung von Gemeinden unter 25 000 Einwohnern mit den Gemeinden von
25 000 und mehr Einwohnern: . «
die Ermächtigung zur Erhebung von Gebrauchsabgaben in Gemeinden und die Ge-
nehmigung der auf die Erhebung dieser Abgaben bezüglichen Steuerordnungen:
die Ermächtigung öffentlicher Behörden oder Korporationen, über die Verleihung von
Ehrengeschenken oder sonstige Ehrenbezeigungen Beschluß zu fassen:
die Verleihung der Rechtsfähigkeit an Vereine und die Genehmigung von Stiftungen
sowie deren Zurücknahme; ·
die Errichtung von Handelskammern, einschließlich der Festsetzung ihrer Mitgliederzahl
und der Umgrenzung ihrer Bezirke, die Errichtung und Auflösung von öffentlichen Kranken-
und Siechenhäusern, öffentlichen Pfandhäusern, Sparkassen, Penfions= und Hilfskassen und
sonstigen öffentlichen Anstalten;
die Erteilung der staatlichen Genehmigung, welcher Schenkungen und Verfügungen von
Todes wegen zugunsten juristischer Personen zu ihrer Wirksamkeit bedürfen;
den Erlaß allgemeiner polizeilicher Vorschriften, insbesondere auch über den Fuhrverkehr,
die Anlegung von Dampfkesseln und den Verkauf giftiger Stoffe;
die Erklärung der Gemeinnützigkeit von Mineralquellen und die Festsetzung eines Schutz-
bezirks für derartige Quellen;
die Ermächtigung zur Ausführung gemeinnütziger Arbeiten und die Feststellung der
Dringlichkeit derartiger Arbeiten, soweit dieselben nicht für das Reich ausgeführt werden;
die Klassierung oder Deklassierung öffentlicher Straßen;
die Festsetzung allgemeiner Baufluchtpläne;
die Ausdehnung der gesetzlichen Sondervorschristen für die Stadt Straßburg über Be-
schränkungen der Baufreiheit auf andere Gemeinden oder bestimmte Teile derfelben;
die Bestimmung der Zahl der Senate beim Oberlandesgerichte sowie der Zahl, des Sitzes
und der Bezirke der Landgerichte und der Zahl ihrer Kammern;
die Abänderung der Umgrenzung und die Verlegung des Pfarrsitzes katholischer oder
protestantischer Pfarreien;
die Abgrenzung von Inspektionsbezirken der Kirche Augsburgischer Konfession, von pro-
testantischen Konfistorialbezirken, von israelitischen Konfistorial-- und Rabbinatsbezirken;
Fischbach, Elsaß-Lothringen. 4