68 Zweiter Teil. Die Verfassung Elsaß-Lothringens und die Behördenorganisation. 8 16
stände rrlassen. welche der Bürgermeister durch Ortspolizeiverordnung für seine Gemeinde
regeln kann.
Auf die Strafandrohung erstreckt sich die Verordnungsgewalt des Bezirks-
präsidenten nicht; als Strafnorm gilt vielmehr die Blankettbestimmung des Art. 471
Nr. 15. C. p. (Geldstrafe von 1 bis 5 Fr.).
Für eine einzelne Gemeinde kann der Bezirkspräsident keine rechtsgültige Polizei-
verordnung erlassen; dieselbe muß sich vielmehr entweder auf den ganzen Bezirk oder
auf einen oder mehrere Kreise oder schließlich auf gewisse Klassen von Gemeinden erstrecken.
Über die Grenzen seines Bezirks hinaus kann der Bezirkspräsident ebenfalls
rechtswirksame Verordnungen nicht erlassen ꝰ.
IV. Ein weiteres wichtiges Tätigkeitsfeld der Bezirkspräsidenten ist ihre Funktion
als vermittelndes Organ zwischen den Zentralbehörden einerseits und den Kreis= und
Ortsbehörden andrerseits. Den Zentralbehörden gegenüber hat der Bezirkspräsident zu
berichten über alle wichtigeren Vorkommnisse und außerdem in periodischen Berichten
über die allgemeine und die politische Lage. Diese Berichte dienen dazu, etwaige Miß-
stände in der Verwaltung aufzudecken und zur Kenntnis des Ministeriums zu bringen.
Die gleiche Pflicht trifft die Kreis-(Polizei-) Direktoren gegenüber dem Bezirkspräsidenten.
Auf Grund dieser Berichte kann der Bezirkspräsident kraft seines Uberwachungs= und
Anordnungsrechts solche Anordnungen der unteren Behörden, die den Gesetzen und
Verordnungen widersprechen, annullieren. Durch Anweisungen und Ausführungs-
bestimmungen sichert er die gesetzmäßige und sachgemäße Ausführung der Aufgaben der
Verwaltung.
V. Schließlich beansprucht eine nicht geringe Bedeutung die Tätigkeit der Bezirks-
präfidenten als Vertreter der Bezirke in der Eigenschaft der letzteren als Selbst-
verwaltungskörper. Auch in dieser Beziehung ist der Bezirkspräsident nicht bloß Organ
einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, sondern gleichsalls Landesbeamter.
Mit seiner Ernennung zum Bezirkspräsidenten erwirbt er ohne weiteres auch die Be-
fugnis, den Bezirk als Selbstverwaltungskörper zu verwalten, und ebenso endigt diese
seine Befugnis zugleich mit seinem Ausscheiden als Staatsbeamter. Über die Rechte
und Pflichten des Bezirkspräsidenten als Organ des Bezirks als Selbstverwaltungskörper
oll noch weiter unten ausführlicher gehandelt werden.
VI. Zur Erledigung der ihm zugewiesenen Aufgaben sind dem Bezirkspräsidenten
eine ganze Reihe von Räten und Hilfsarbeitern beigegeben, die jedoch keine selbständigen
Befugnisse haben; sie find nur Hilfsorgane des Präsidenten, der sich allerdings einen
allgemeinen Stellvertreter (Oberregierungsrat) oder für Einzelfälle besondere Stell-
vertreter substituieren kann. Für den ganzen Geschäftsbetrieb ist nach außen allein
der Bezirkspräsident verantwortlich, es steht dies im Einklang mit der Bestimmung, daß
seine Stimme in allen Fällen, auch in den Angelegenheiten, über welche der Bezirks-
rat Beschluß zu fassen hat, die entscheidende ist 10.
VII. Die Verwaltung je eines Kreises führt ein Kreisdirektor; in den
Stadtkreisen Straßburg und Metz nimmt die Besugnisse des Kreisdirektors der Bezirks-
präsident wahr.
Die Kreisdirektoren sind an die Stelle der sous-préfets getreten, die hauptsächlich dazu
dienten, den Verkehr zwischen Bürgermeister und Präfekten zu vermitteln und den Präfekten die er-
forderlichen lokalen Auskünfte zu verschaffen. Der Unterpräfekt war sozusagen nur ein Gehilfe des
Präfekten; er leitete seine Zuständigkeit nur aus besonderen Aufträgen ab, die ihm seitens der Prä-
fekten zuteil wurden. Er war nicht der Vorgesetzte des Bürgermeisters und hatte diesem gegenüber
kein Befehlsrecht; der Bürgermeister stand vielmehr unmittelbar unter dem Präfekten. Der Unter-
präfekt hatte auch ursprünglich kein Verordnungsrecht; erst das Dekret vom 13. April 1861 (Art. 6)
und das Gesetz vom 4. Mai 1864 haben dem Unterpräfekten eine gewisse eigene Zuständigkeit ein-
geräumt, die ihn befähigte, in gewissen geringfügigen Angelegenheiten den Gesuchsteller selbst zu
bescheiden 1. Vor allem hatte der Unterpräfekt aber keinen Selbstverwaltungskörper zu vertreten,
denn das Arrondissement (Kreis) bildete keinen solchen.
* Vgl. Grün Nr. 117. 10 Leoni S. 99. 11 Ducrocq I Nr. 141.