112 J. Das Deutsche Reich.
* Die Oberlandesgerichte (das für Sachsen befindet
sich in Dresden) bestehen aus Zivil= und Strafsenaten,
die in der Besetzung von fünf Mitgliedern über Be-
rufungen gegen erstinstanzliche Urteile der Zivilkammern
und über Revisionen gegen zweitinstanzliche Urteile der
Strafkammern der Landgerichte entscheiden. Unter be-
stimmten Voraussetzungen können auch Urteile der Ober-
landesgerichte angefochten werden, und hat sodann der
in Leipzig seinen Sitz habende oberste deutsche Gerichts-
Sacche- hof, das Reichsgericht mit sieben Richtern, zu ent-
scheiden, dessen Mitglieder auf Vorschlag des Bundes-
rates durch den Kaiser ernannt werden. An dieses gehen
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Revisionen gegen
die Endurteile der Oberlandesgerichte, dann, wenn es
sich um Reichsrecht handelt! und zugleich der Wert des
Streitgegenstandes 4000 übersteigt oder unschätzbar ist,
die Berufungen gegen die Entscheidungen des Patent-
amts, ferner die Revisionen gegen Erkenntnisse der Schwur-
gerichte, beziehentlich unter gewissen Voraussetzungen Ur-
teile der Strafkammern; nicht minder ist das Reichsgericht
für die Untersuchung und Entscheidung in erster und
letzter Instanz in den Fällen des Hochverrats und des
Landesverrates gegen Kaiser und Reich zuständig. In
solchen Fällen wird der Gerichtshof aus dem vereinigten
zweiten und dritten Strafsenate des Reichsgerichts ge-
bildet. Wegen der Zuständigkeit des Beichsgericht in
Konsulargerichtssachen wolle S. 115 verglichen werden.
¾3(-“7 Zur Einleitung der Verfolgung des Schuldigen, Er-
hebung der Anklage und Stellung des Strafantrages,
sowie Uberwachung der Strafvollstrechkung, ist bei jedem
Gerichte eine von demselben unabhängige Behäörde, die
Staatsanwaltschaft, eingesetzt (Amtsanwalt bei den
Amts= und Schöffengerichten, Staatsanwalt bzw. Ober-
staatsanwalt bei den Landgerichten, Schwurgerichten und
1 Die Mehrzahl der Bundesstaaten hat mit Zustimmung
des Bundesrats dem Reichsgericht die oberste Entscheidung in
bürgerlichen Rechtsstreitigheiten auch in den Fällen überlassen,
in denen es sich um das Landesrecht handelt. Dagegen hat
Bayern nach einem von ihm gemachten Vorbehalte die an sich
vor das Reichsgericht gehörigen Revisionen und Beschwerden
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme der Handels-,
Urheber-, Markenschutz-, Patentsachen usw. einem eigenen Ober-
sten Landesgericht in München zugewiesen.