Reichsverfassung. 5
stets auf dem jeweiligen Könige von Preußen, der da—
her gleichzeitig den Titel „Deutscher Kaiser“ führt. Ihm
steht die völkerrechtliche Vertretung des Reiches (Ab—
schluß von Bündnissen und Verträgen mit anderen
Staaten), der Oberbefehl über die gesamte Land= und
Seemacht des Reiches, Berufung des Bundesrates und
BReichstages, Ausfertigung, Verkündigung und Uber-
wachung der Ausführung der Beichsgesetze, Ernennung
der Reichsbeamten, das Begnadigungsrecht bei erst= und
letztinstanzlichen Entscheidungen des Beichsgerichts sowie
teilweise bei solchen der Disziplinar-, Schutzgebiets-, Kon-
sular= und Prisengerichte zu. Er kann im Namen des
Reiches mit eigener Machtvollkommenheit den Krieg
erklären, wenn ein Angriff auf das Gebiet des BReiches
oder dessen Küsten erfolgt, in anderen Fällen nur mit
Zustimmung des Bundesrates. Wenn Bundesglieder
ihre verfassungsmäßigen Bundespflichten nicht erfüllen,
ordnet der Kaiser den Vollzug der vom Bundesrate
beschlossenen Exekution (Ausübung des Zwanges) gegen
diese an. Gegen Preußen ist hiernach die Exekution
verfassungsmäßig ausgeschlossen. Eine Dotation aus
Reichsmitteln wird dem Kaiser nicht gewährt.
In dem Reichslande Elsaß-Lothringen, welches trotz
der ihm seit dem Jahre 1911 gewährten Vertretung
im Bundesrate heinen selbständigen Bundesstaat, son-
dern eine Provinz des MReiches bildet, aber eigene Ver-
waltung hat, übt der Kaiser — seit 1879 durch einen
besonderen kaiserlichen Statthalter — unter Mitwirkung
eines Staatssekretärs, eines Staatsministeriums,
eines Staatsrats sowie einer aus teils kraft des Ge-
setzes, teils von Körperschaften gewählten, teils vom
Kaiser ernannten Mitgliedern zusammengesetzten ersten
und einer zweiten Kammer, deren 60 Mitglieder aus
allgemeinen, direbten Wahlen mit geheimer Stimmen-
abgabe hervorgehen, die Staatsgewalt aus.
Die einzelnen Staaten, „die verbündeten Regierungen", Lunder#at,
nehmen an der Reichsregierung durch Entsendung von
Bevollmächtigten teil, deren Vereinigung den Bundes-
rat bildet. Dieser beschließt namentlich über die dem
Reichstage zu machenden Vorlagen und über Annahme
oder Verwerfung der aus den Beratungen des Reichs-
tages hervorgegangenen Gesetzesvorlagen und erläßt die