Ministerium des Innern. 167
armer Waisen sind die Gemeindewaisenräte bestimmt, emeinde-
die nach §§ 1849 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs und «
der Sächsischen Ausführungsverordnungen zu diesem Para—
graphen für jede Gemeinde zu bestellen sind und die
Aufgabe haben, dem Vormundschaftsgerichte die zur Uber-
nahme einer Vormundschaft im einzelnen Falle geeigneten
Personen vorzuschlagen und deren Fürsorge für die körper-
liche Pflege und Erziehung ihrer Mündel zu überwachen,
Alängel und Pflichtwidrigkeiten aber zur Kenntnis des
Vormundschaftsgerichts zu bringen. Den von den Ge-
meindevertretungen zu wählenden Gemeindewaisenräten
können auch Pflegerinnen als Waisenpflegerinnen beige-
geben werden zur Unterstützung bei Uberwachung der
Erziehung und Börperlichen Pflege von Mündeln unter
sechs Jahren, sowie von älteren weiblichen Mündeln.
Ferner kann die Gemeinde mit Genehmigung des Justiz-
ministeriums den Vorstand einer unter staatlicher Auf-
sicht stehenden Erziehungs= oder Verpflegungsanstalt oder
einen Beamten bestimmen, dem die Rechte und Pflichten
eines Vormundes über diejenigen Minderjährigen zu-
stehen, die in der Anstalt oder in einer von dem An-
staltsvorstande bzuv. Beamten ausgewählten Familie oder
anderen Anstalt oder, wenn sie unehelich sind, in der
mütterlichen Familie erzogen werden. Außerdem sind die
Frauenvereine ermächtigt, sich bei der Beaufsichtigung des
Ziehkhinderwesens in angemessener Weise zu beteiligen.
Fürsorgeerziehung. Mit dem 1. Oktober 1909 ist hüreorge-
das Gesetz über die Fürsorgeerziehung vom 1. Februar ·
1909 in Kraft getreten. Danach können Minderjährige
vom Vormundschaftsgericht der Fürsorgeerziehung in
einer geeigneten Familie oder in einer Erziehungs- oder
Besserungsanstalt von Amts wegen oder auf Antrag der
unteren Verwaltungsbehörde oder Bezirksschulinspektion
überwiesen werden unter bestimmten Voraussetzungen des
Bürgerlichen Gesetzbuchs oder des Strafgesetzbuches, so—
bald die Entfernung des Minderjährigen aus seiner bis—
herigen Umgebung zur Verhütung seiner Verwahrlosung
erforderlich ist, oder wenn sonstige Tatsachen vorliegen,
welche die Fürsorgeerziehung zur Verhütung des völligen
sittlichen Verderbens des Minderjährigen notwendig
machen. Der Vollzug der Fürsorgeerziehung und deren
weitere Behandlung im einzelnen Falle liegt den Amts—