40 J. Das Deutsche Reich.
wirtschaftlich bedenklichen fortgesetzten Deckung der Fehl—
summen des Etats durch Anleihen wirksam vorgebeugt
werden sollte.
Im Jahre 1905 wurde diese Reform durchgeführt.
Danach wurden dem Reiche neue Einnahmequellen er-
schlossen durch Einführung einer Erbschaftssteuer und
einer Zigarettensteuer, durch Erweiterung der Reichs-
stempelsteuer und der Brausteuer. Es wurde ferner be-
stimmt, daß die Reichsschuld vom Jahre 1908 ab all-
jährlich mit mindestens 3/5 v. H. ihres Betrages getilgt
werde. Endlich wurde für die Leistungen der Bundes-
staaten an das Reich eine Höchstgrenze dahin gezogen,
daß, wenn die Moatrikularbeiträge die Uberweisungen in
einem Rechnungsjahr um mehr als 40 Pfennig auf den
Kopf der Bevölkerung, also um etwas mehr als 24 Miil-
lionen Mark übersteigen, die Erhebung des Mehrbetrags
ausgesetzt und bis zum Juli des drittfolgenden Jahres
gestundet wird.
Allein auch diese Reform war ungenügend. Statt der
von den verbündeten Regierungen geforderten 250 Mil-
lionen Mark neuer Einnahmen hatte der Reichstag nur
180 Millionen Mark bewilligt, von denen tatsächlich nur
110 Millionen eingingen. Der Mehrbedarf der nächsten
Jahre stellte sich auf 4—500 Millionen Mark. Die
Schulden des Beichs waren inmittelst auf 4251 Millionen
Mark! gestiegen und zur Dechung der laufenden Be-
triebsausgaben Schatzanweisungen, also schwebende Schul-
den, ausgegeben worden, die ihrer Erlösung noch harrten.
Durch die Uberweisungen war eben das Reich der Mittel
zur Erfüllung seiner stetig wachsenden Aufgaben beraubt
und auf den Weg des Schuldenmachens verwiesen
worden. Dem Reichstage ging daher im Jahre 1908
eine neue umfassende Finanzreformvorlage zu. Deren Er-
ledigung wurde dadurch wesentlich erschwert, daß diese Vor-
lage, wie seinerzeit treffend geschrieben wurde, als Kampf-
platz für das mehr oder weniger leidenschaftliche Begehren
1 Nach dem letzten Berichte der Reichsschuldenkommission ist
inzwischen diese Schuld auf mehr als 5 Milliarden Mark an-
gewachsen, dazu Kommen noch mehr als 100 Millionen Mark
als Schuld der deutschen Schutzgebiete. Für Verzinsung der
Reichsschuld waren allein rund 167 Millionen Mark aufzu-
bringen.