Full text: Das Verfassungs- und Verwaltungsrecht des Deutschen Reiches und des Königreiches Sachsen.

Gewerbewesen. 75 
richtet werden, für die ein Vorsitzender bzw. ein Stell- 
vertreter, der weder Arbeiter noch Arbeitgeber sein darf 
und von der Gemeindevertretung gewählt wird, sowie 
die erforderliche Zahl von Beisitzern zu berufen ist. Die 
Zahl der letzteren soll mindestens vier betragen, sie 
müssen zur Hälfte aus den Arbeitgebern, zur Hälfte aus 
den Arbeitern entnommen werden. Die ersteren werden 
mittels Wahl der Arbeitgeber, die letzteren mittels Wahl 
der Arbeiter bestellt. Die Errichtung der Gewerbegerichte 
muß erfolgen in Gemeinden von mehr als 20000 Ein— 
wohnern (Gesetz vom 30. Juni 1901). Das Gewerbe— 
gericht verhandelt und entscheidet, soweit nichts anderes 
bestimmt ist, in der Besetzung von drei Mitgliedern mit 
Einschluß des Vorsitzenden und im wesentlichen nach den 
für das amtsgerichtliche Verfahren geltenden Vorschriften. 
Berufungen in den vor die Gewerbegerichte gehörigen 
Rechtsstreitigkeiten sind nur zulässig, wenn der Betrag 
des Streitgegenstandes den Betrag von 100 M über— 
steigt, und werden von den Landgerichten entschieden. 
Diese Gewerbegerichte können in Fällen von Streitig— 
keiten, welche zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über 
die Bedingungen der Fortsetzung oder Wiederaufnahme 
des Arbeitsverhältnisses entstehen, auch als Einigungs- 
ämter angerufen werden. Sie bestehen dann neben dem 
Vorsitzenden aus Vertrauensmännern der Arbeitgeber 
und der Arbeiter in gleicher Zahl, haben Vereinigungen 
zwischen den streitenden Teilen herbeizuführen zu suchen, 
eventuell aber auf alle zwischen den Parteien streitigen 
Fragen sich erstrechende Schiedssprüche abzugeben, 
die nebst den darauf abgegebenen Erklärungen der 
Parteien öffentlich bekanntzumachen sind. Auch sind diese 
Gewerbegerichte verpflichtet, auf Ansuchen von Staats- 
behörden oder des Vorstandes des Kommunalverbandes, 
für den es errichtet ist, Gutachten über gewerbliche 
Fragen abzugeben, und sind berechtigt, in solchen Anträge 
an Behörden und an die gesetzgebenden Körperschaften 
der Bundesstaaten oder des Reichs zu richten. 
Ist ein zuständiges Gewerbegericht nicht vorhanden, 
so Rkann bei Streitigkeiten über den Antritt, die Fort- 
setzung oder die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, über 
die Aushändigung oder den Inhalt des Arbeitsbuches 
oder Zeugnisses und über die Berechnung und Anrech-
	        
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