92 $ 6. Staatsverwaltung und Selbstverwaltung.
Minister gebundene — Landesfürst. Die preußische Verfassungs-
urkunde vom 31. Januar 1850 bringt zwei allgemein gültige
Grundsätze des deutschen monarchischen Staatsrechts zum
Ausdruck, wenn sie vorschreibt: „Dem Könige allein steht
die vollziehende Gewalt zu“ (Art. 45). „Alle Regierungs-
akte des Königs bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegen-
zeichnung eines Ministers, welcher dadurch die Verantwortlich-
keit übernimmt.“ (Art. 44.) In den Freien Städten Hamburg,
Lübeck und Bremen ist der Senat die Spitze der Verwaltungs-
organisation.’
In der Vollziehungskompetenz ist jedoch für den Monarchen
und für den Senat nicht die Befugnis zur Selbstbesorgung aller
Verwaltungsgeschäfte enthalten.* Das Gesetz hat eine Verwal-
tungshierarchie und ein Beamtentum geschaffen, und die ein-
zelnen öffentlichen Ämter dieses Apparates mit bestimmten
Zuständigkeiten ausgestattet.*" Innerhalb des vom Gesetz um-
schriebenen Amtsbereiches (Wirkungskreises) ist der Beamte
selbständig.* Er bildet darin durch eigenen Willensentschluß
unmittelbar Staatswillen. Die Tatsache, daß der Beamte
vom Monarchen oder dem Senate ernannt worden ist, ändert
daran nichts und stempelt ihn nicht zu einem bloßen Ge-
hilfen des Fürsten oder des Senates. Denn durch die Ernen-
nung wird lediglich eine leere Stelle in dem Organismus des
Staates ausgefüllt. Die Ernennung enthält nicht eine Über-
tragung eines dem ernennenden Organ zuständigen Stückes
® In den Freien Städten wird die laufende Verwaltung vom Senat
besorgt. Doch wirkt bei besonders wichtigen Verwaltungsakten, insbe-
sondere finanzieller Natur, die Bürgerschaft mit. Georg Meyer-Anschütz,
Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, $ 119. J. Bollmann, Verfassung
und Verwaltung der freien Hansestadt Bremen, 1909, $ 9. (Bibliothek
des Öffentl. Rechts, herausg. von F. Scholz u. Storck.)
* Hugo Preuss, Das städtische Amtsrecht in Preußen, 1902,
Ss. 56ff.
4# J. Niedner, Die Geschäftesform der Behörden (Ztachr. für Politik
VI 159).
5 Eirre solche Selbständigkeit besteht trotz der sogleich zu erwäh-
nenden Subordination und der Abhängigkeit des Beamten von den Be-
fehlen der Aufsichtsinstanz. Denn die Aufsichtsinstanz kann nur unter
bestimmten, gesetzlich geordneten Voraussetzungen an Stelle des zunächst
berufenen Beamten handeln. Vgl. darüber unten $ 12.