$ 6. Staatsverwaltung und Selbstverwaltung. 93
Staatsgewalt auf den Beamten. Die Staatsgewalt, die in die
Hände des ernannten Beamten gelangt, hängt dauernd am Amt
und wird nicht von Fall zu Fall verliehen.
Trotz dieser Ämterzersplitterung bleibt die Einheit des in der
Verwaltung wirkenden Staatswillens gewahrt. Dies wird erreicht
durch Aufsichtsgewalt und Subordination.*e Alle die zahlreichen
Beamten sind Organe einer und derselben Person Staat. Sie sind
durch Überordnung und Unterordnung in einem Instanzenzuge
hierarchisch gegliedert. Der Staatswille ist umso stärker und reiner,
je höher das Organ steht, das ihn zur Geltung bringt. Am stärksten
und reinsten erscheint er an der Spitze des Staates. Daher
gilt dem Subalternen gegenüber der Wille der höheren Instanz
als kräftiger und inhaltlich besser, als der Wille der untern Instanz.
Aus diesem Grund sind ‘die obern Verwaltungsbehörden die
natürlichen Beschwerdeorgane, falls das Gesetz nicht Beschwerde-
instanzen besonderer Art eingesetzt hat. Sie haben die Aufgabe,
auf Anrufen eines Beteiligten hin an die Stelle einer angefochtenen
erstinstanzlichen Verfügung eine eigene Entscheidung zu setzen
(unten $ 14). Vor allem aber beruht auf diesem rechtlichen Vor-
range die Zuständigkeit der höheren Instanzen, durch Dienst-
befehle den Untergebenen ein bestimmtes Verhalten vorzuschrei-
ben und Verfügungen der unteren Instanzen, die dem Gesetze oder
dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen, von Amteswegen auf-
zuheben.?” Der untergebene Beamte ist vermöge der Subordination
6 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, II S. 236ff. Preuss,
Städt. Amtsrecht in Preußen, $. 296ff. Gerland, Über die Einheit der
Polizeiverwaltung in Preußen (Archiv für öffentl. Recht XVII (1902)
S. 230). Thoma, Polizeibefehl im Bad. Recht, I S. 174ff. Vgl. auch die
Ausführungen über den Begriff der „hierarchischen Gewalt‘ in der
Verwaltung bei Hauriou, Pr&cis de Droit administratif, 7 ed., p. 134 suiv.
? Das Preußische Landesverwaltungsgesetz v. 1883 schreibt in $50 vor,
nachdem es das Beschwerdeverfahren geordnet hat: „Unberührt bleibt
in allen Fällen die Befugnis der staatlichen Aufsichtsbehörden, innerhalb
ihrer gesetzlichen Zuständigkeit Verfügungen und Anordnungen der nach-
geordneten Behörden außer Kraft zu setzen, oder diese Behörden mit An-
weisungen zu versehen.‘‘ Beispiele: Die Baupolizeibehörde hat die Erlaub-
nis zur Errichtung eines Gebäudes erteilt, trotzdem das Gebäude die gesetz-
liche Höhe überragt. Sobald dies zur Kenntnis der vorgesetzten Behörde
kommt, hebt sie von Amteswegen die Bauerlaubnis auf. Kgl. Sächs.
Oberverwaltungsgericht, 17. Juli 1907 (Jahrbücher des Kgl. Sächs. OVG.
XI S. 123). Die Frage, ob die obere Behörde als erste Aufsichtsinstanz