94 $ 6. Staatsverwaltung und Selbstverwaltung.
verpflichtet, den Befehlen zu gehorchen, die von dem zuständigen
Vorgesetzten innerhalb seiner Kompetenz erlassen werden.®
Keine juristische, sondern eine politische Frage ist es, ob der
Gesetzgeber die Ämter der öffentlichen Verwaltung Berufs-
beamten vorbehält, die aus dem öffentlichen Dienst ihre Lebens-
aufgabe machen, oder ob er neben diesen nicht-beamtete Bürger
zur Besorgung öffentlicher Verwaltungsgeschäfte heranzieht.? Die
gellandelt oder aber als Beschwerdeinstanz eine zweitinstanzliche Ent-
scheidung getroffen hat, wird von Bedeutung, wenn beim Verwaltungs-
gericht nur zweitinstanzliche Verfügungen angefochten werden können.
Vgl. Sächs. OVG. 13. Juli 1906 (Jahrbücher IX S. 96.).
8 Über das Prüfungsrecht des Untergebenen gegenüber Befehlen des
Vorgesetzten: Laband, Staatsrecht I S. 460ff. Otto Mayer, Deutsches
Verwaltungsrecht II S. 236. Alfred Schulze, Das Reichsbeamtengesetz,
1908, S. 76. Die Aufsichtsgewalt erstreckt sich selbstverständlich nur auf
Angelegenheiten, welche Verwaltungsorgane als Verwaltungsbehörden
erledigen. Wenn der Verwaltungsbeamte vom Gesetze berufen ist, Ver-
waltungs- oder Strafrechtsprechung auszuüben oder ein strittiges Zivil-
rechtsverliältnis zu entscheiden (oben $ 2), so ist er von Weisungen der
Aufsichtsgewalt befreit. Denn die Richter sind ‚nur dem Gesetze unter-
worfen‘‘. (Gerichtsverfassungsgesetz $ 1.) Stölzel, Rechtsweg und
Kompetenzkonflikt S. 298,
9% Beispiel: Preußisches Landesverwaltungsgesetz v. 1883 $ 4: „Zur
Mitwirkung bei den Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung nach
näherer Vorschrift der Gesetze bestehen für die Provinz am Amtssitze des
Oberpräsidenten der Provinzialrat, für den Regierungsbezirk am Amtse-
sitze des Regierungspräsidenten der Bezirksausschuß, für den Kreis am
Amtssitze des Landrats der Kreisausschuß ...‘“. Die Mitglieder des
Provinzialrates und des Bezirksausschusses werden zum Teil, die des
Kreisausschusses ganz von Selbstverwaltungsorganen gewählt. Georg
Meyer-Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts S. 400ff.
E. v. Meier, in Holtzendorff u. Kohlers Enzyklopädie der Rechtswissen-
schaft, II S. 644ff. Ernst Fölsche, Das Ehrenamt in Preußen und im
Reich, 1911 (Abhandlungen a. d. Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht,
herausg. von Brie und Fleischmann, Heft 25). — Im Großherzogtum
Baden werden die Mitglieder der Bezirksräte durch das Ministerium des
Innern ernannt auf Grund einer von der Kreisversammlung für jeden
Amtsbezirk des Kreises durch freie Wahl festgestellten Vor;chlagsliste,
welche dreimal soviel Namen enthält, als Mitglieder ernannt werden
sollen. Die Vorschläge sollen auf Bewohner des Amtsbezirks fallen,
die durch Kenntnisse, Tüchtigkeit und Gemeinsinn ausgezeichnet sind.
Der Bezirksrat als Kollegium ist dem Bezirksamte „zur Unterstützung
bei der staatlichen Verwaltung‘ beigegeben und ist erstinstanzliches Ver-
waltungsgericht. Walz, Bad. Staatsrecht S. 122.