Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

$ 6. Staatsverwaltung un: Selbstverwaltung. 5 
„Laien“ sind in den einzelnen deutschen Staaten in sehr verschie- 
denem Umfang an der Führung der öffentlichen Verwaltung beteiligt. 
Sie sind berufen, entweder einzeln und selbständig, oder in 
Kollegien in Verbindung mit den Berufsbeamten tätig zu werden. 
Personen, die solchergestalt ‚ehrenamtlich‘ staatliche Funk- 
tionen ausüben, besitzen eine selbständige Organkompetenz, wie 
die Berufsbeamten und sind wie dicse den Vorgesetzten ihrer 
Ämter subordiniert. Der Gesetzgeber versucht durch ihre Zu- 
ziehung für die Verwaltung die praktische Lebenserfahrung von 
Männern nutzbar zu machen, die außerhalb der Sphäre bureau- 
kratischer Anschauungen stehen und eine größere Unabhängig- 
keit nach oben besitzen, als Berufsbeamte, weil sie in der amt- 
lichen Tätigkeit nicht ihren Lebensberuf und die Grundlage ihrer 
finanziellen Existenz erblicken. Wie unabhängig diese Personen 
aus diesen tatsächlichen Gründen auch sein mögen, so bleiben 
sie rechtlich doch stets dem staatlichen Verwaltungsorganismus 
eingegliedert.'° 
II. Eine Menge von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung 
werden jedoch in Deutschland nicht vom Staate, sondern von selb- 
ständigen Verbänden und Anstalten innerhalb des Staates besorgt.'! 
10 Im Anschluß an Gneist bezeichnet eine verbreitete literarische 
Richtung diese Art der Staatsverwaltung als ‚Selbstverwaltung‘. Rosin 
(Annalen des Deutschen Reichs 1883, S. 305ff.) spricht hier von Selbst- 
verwaltung in politischem Sinn. Dieser Sprachgebrauch ist m. E. 
nicht zu billigen. 
11 Rosin, Das Recht der öffentlichen Genossenschaft, 1886. Otto 
Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, II $$ 55ff. Gierke, Deutsches 
Privatrecht, I S. 619ff., 635ff. Jellinek, System der subjektiven öffent- 
lichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 263ff., 275ff. Hugo Preuss, Die Kom- 
munale Selbstverwaltung in Deutschland (Handbuch der Politik, I 198 ff.). 
M. Matthias, Die städtische Selbstverwaltung in Preußen, 1911. Kor- 
mann, Grundzüge eines allg. Teils (Annalen d. Deutschen Reichs, 1911, 
S. 856fl.).. J. Redlich, Das Wesen der österreichischen Kommunalver- 
fassung, 1910. — Neben diesen Verbänden werden eine ganze Reihe von 
Aufgaben, an deren Erfüllung der Staat ein Interesse hat, von Privaten 
besorgt, die kraft öffentlichen Rechts in einem Pflichtverhältnis zum 
Staate stehen (Patentanwälte, Bücherrevisoren usf.); „Halbbeamte“, wie 
Triepel sie nennt (H. Triepel, Staatsdienst und staatlich gebundener 
Beruf (Festschrift für Karl Binding, 1911, Bd. II S. 3ff.). Über die 
l:ootsen: Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 74, S. 250; Bd. 79, S. 101; 
Bd. 81, 8.316. Neuberg, Art. „Lotsen‘“ im WB d. VerwR? U 784.
	        
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