96 $ 6. Staatsverwaltung und Selbstverwaltung.
l. Der Staat hat sich in zahlreichen Fällen darauf beschränkt,
eine Verwaltungsmaterie durch Staatsgesetz zu ordnen, die Voll-
ziehung des Gesetzes aber einem selbständigen Verband zu
übertragen.'* Ein solcher Verband wird damit berufen, an des
Staates Stelle staatliche Verwaltungsaufgaben zu besorgen. Er
übt öffentliche Verwaltung aus und zwar zu eigenem Rechte.
Denn er besitzt von Gesetzeswegen einen Anspruch auf die
Führung dieser Verwaltung.’® Die Staatsbehörden dürfen diese
nicht in ihre Hände nehmen.
Als Verbände, die mit dieser Aufgabe betraut werden können,
bieten sich dem Staat in erster Linie die im Staatsgebiete vor-
handenen Gemeinden und Kommunalverbände höherer Ordnung
an, die als fertige Organisationen eine selbständige Existenz neben
dem Staat mit einem eigenen Wirkungskreise führen. Außer
ihnen haben Reichs- und Landesgesetzgebung in steigendem
Maß für die Durchführung der neuen Verwaltungsaufgaben
selbständige Spezialinstitutionen ins Leben gerufen und deren
Organisation auf besondere Zwecke zugeschnitten :Krankenkassen’’*
und Berufsgenossenschaften der Arbeiterversicherung; Orts- und
Landarmenverbände usw.!* Man kann derartige Verbände als
öffentliche Zweckverbände im weitern Sinne bezeichnen.
ı2 Das Seitenstück im Reichsrechte: das Verhältnis der Bundes-
staaten zur Reichsgewalt in den Materien des Art. 4 der Reichsverfassung.
Laband, Staatsrecht des Deutschen Reichs, I5 $$ 11ff.
13 Rosin, in den Annalen des Deutschen Reichs 1883, S. 273 ff.
13° Rosin, Art. „Krankenversicherung im WB d. VerwR?2 II 641.
14 Besonders interessant ist das Preußische Zweck verbandsgesetz vom
19. Juli 1911 (Jbch. d. öff. R. VII 135). Nach diesem können ($1) „Städte,
Landgemeinden, Gutsbezirke, Bürgermeistereien, Ämter und Landkreise be-
hufs Erfüllung einzelner kommunaler Aufgaben jeder Art miteinander zu
Zweckverbänden im Sinne dieses Gesetzes verbunden werden, wenn die Be-
teiligten damit einverstanden sind‘. ‚Der Zweckverband hat die Rechte
einer öffentlichen Körperschaft, sofern sämtlichen Verbandsmitgliedern für
sich diese Rechte uneingeschränkt zustehen‘ ($ 6 Abs. 2). Durch das
Zweckverbandsgesetz für Groß-Berlin vom 19. Juli 1911 (Jbch. d. öff. R.
VII 138) wurden die Stadtkreise Berlin, Charlottenburg, Schöneberg,
Rixdorf, Deutsch -Wilmersdorf, Lichtenberg und Spandau sowie die
Landkreise Teltow und Niederbarnim ‚„zueinem Zweckverband vereinigt,dem
die Erfüllung folgender kommunaler Aufgaben obliegt: Regelung des Ver-
hältnisses zu öffentlichen, auf Schienen betriebenen Transportanstalten
mit Ausnahme der Staatseisenbahnen; Beteiligung an der Feststellung