$ 7. Die Selbstverwaltungskörper. 101
1. Über die juristische Form dieser Verbände ist damit noch
nichts gesagt.
Ein Blick in die Gesetzgebung zeigt uns, daß sich auch auf dem
Boden des öffentlichen Rechts der korporative Verband, die Korpo-
rationdesöffentlichen Rechts, zur Erreichung eines Gemeinzweckes
als die geeignetste Form erweist. Man denke an die politischen Ge-
meinden und Kommunalverbände höherer Ordnung, an die ‚Spezial-
gemeinden‘“ (für Schulzwecke u. dgl.), an die Ortskrankenkassen
(Korporationen der versicherten Arbeiter) und an die Berufsge-
nossenschaften der Arbeiterversicherung (Korporationen der Arbeit-
geber)*u.a.m. Als Mitglieder erscheinen regelmäßig Einzelpersonen.®
verschwenderisch als öffentlichrechtliche Korporationen und Anstalten
bezeichnet. Man hat zu Unrecht begonnen, als eine öffentlichrechtliche
Person jede Korporation oder Anstalt zu bezeichnen, die vom Gesetzgeber
durch irgendein Attribut (Beitrittszwang, erhöhter Strafschutz usw.)
über die Sphäre des Privatrechts emporgehoben worden ist. Man spräche
in solchen Fällen besser von ‚qualifizierten Korporationen‘‘ — nach dem
Vorschlage von Kahl, Lehrsystem des Kirchenrechts und der Kirchen-
politik, I (1894) S. 340. Die Beschränkung des Ausdrucks ‚öffentlichrecht-
lich“ auf die Verbände, die durch das oben im Texte genannte Merkmal
ausgezeichnet sind, ist auch wegen der Anwendung des BGB. $ 89 von
Bedeutung. Vgl. darüber unten $ 16. Über den Unterschied von privat-
rechtlichen und öffentlichen Verbänden s. Rosin, Öffentliche Genossen-
schaft S. 16ff. Gierke, Deutsches Privatrecht I S. 619ff. v. Tuhr, Allg.
Teil des Bürgerl. Rechts I S. 452ff. Über die Verhältnisse in der Schweiz
8. Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch Bd. I (Zürich 1911),
bearbeitet von A. Egger, 8. 201ff.
* H. Rosin, Die neue Reichsversicherungsordnung in ihren Grund-
zügen (Jahrbuch d. öffentl. Rechts VI S. 1ff.).
5 Die Mitgliedschaft kann auf freiwilligem Beitritt oder auf staatlichen
Zwang beruhen. In einzelnen Genossenschaften ist die Mitgliedschaft mit
bestimmten Grundstücken verbunden, so daß der jeweilige Eigentümer mit
dem Erwerb des Grundstücks ipso jure Mitglied der Genossenschaft wird.
Vgl. z. B. das Wassergesetz für das Königreich Sachsen v. 12. März 1909
$ 104: „Zum Beitritt (zu einer öffentlichen Weassergenossenschaft) be-
rechtigt sind alle jeweiligen Eigentümer von Grundstücken und Anlagen,
denen das Genossenschaftsunternehmen zu dienen bestimmt oder Vorteil
zu bringen geeignet ist. Der Beitritt erfolgt mit bestimmten Grundstücken
oder Anlagen. Es begründet die Mitgliedschaft derjenigen Personen, von
denen die Grundstücke oder Anlagen nach dem Beitritt erworben werden.
Die Mitgliedschaft tritt mit dem Erwerb ein... .“ Gerhard Sehling,
Die preußischen Wassergenossenschaften, 1912 (Abhandlungen a. d. Staats-
u. Verwaltungsrecht, herausg. von Brie u. Fleischmann, Heft 28). Preuß.
Verw.-Bl. XXXIII 758. Preuß. Wassergesetz v. 7. April 1913188 206 ff.