106 $ 7. Die Selbstverwaltungskörper.
a) Dies wird deutlich sichtbar bei den Selbstverwaltungs-
körpern, die für die Besorgung einer einzigen, genau um-
schriebenen Verwaltungsaufgabe (Krankenversicherung. Wege-
unterhalt, Uferschutz usf.) sind gebildet worden. Joch kann
eine Erweiterung ihrer Kompetenzgrenze eintreten, wenn das
Gesetz es dem Selbstverwaltungsverband offen gelassen hat,
neben seinen obligatorischen, noch gewisse, von vorn-
herein bestimmte fakultative Aufgaben in seinen Bereich zu
ziehen.!* Hat der Selbstverwaltungsverband seine Tätigkeit auf
solche fakultative Aufgaben ausgedehnt, so ist er verpflichtet,
diese zu besorgen, wie seine obligatorischen Geschäfte.
b) Aber die kräftigsten der Selbstverwaltungskörper erfüllen
nicht bloß solche Spezialaufgaben. Ihr Lebenszweck besteht in
der Besorgung alles dessen, was die geschichtliche Entwicklung
in Deutschland der Lokalverwaltung, im Gegensatz zur Staats-
verwaltung, vorbehalten hat.
Obenan stehen die Gemeinden.'!? Sie sind historisch aus den
alten Markgemeinden hervorgegangen, d. h. aus Personenver-
bänden, die gleichzeitig den Beruf eines örtlichen Gemeinwesens
und einer ländlichen Wirtschaftsgenossenschaft (einer agrarischen
14 Beispiele bilden die sog. Mehrleistungen der Arbeiterversicherung.
Es können die Krankenkassen eine Erhöhung und Erweiterung der
Regelleistungen zugunsten der Versicherten beschließen und auch eine
über die Person der Mitglieder hinausgehende ‚Familienhilfe‘ (z. B. freie
ärztliche Behandlung, freie Arznei und sonstige Heilmittel für erkrankte
Familienangehörige der Kassenmitglieder). Reichsversicherungsordnung
$$ 179, 187, 188, 191, 194, 198, 199, 200, 204, 205. —- Fakultative Auf-
gaben der Gemeinden sind z. B. die Angelegenheiten, in denen der 80g. Ge-
meindesozialismus in die Erscheinung tritt: Wasservereorgung, Schlacht-
häuser, Elektrizitätswerke, Arbeitlosenversicherung u. a.m. v. Blume,
Art. „Gemeinden“ (sozialpolit. Aufgaben), im Handwörterbuch d. Staats-
wissenschaften, IV3 S. 618 und Handbuch d. Politik, I S. 224.
15 Gierke, Deutsches Privatrecht, I $$ 71ff. und die dort zitierte
Literatur. Keil, Die Landgemeindeordnung für die sieben östlichen
Provinzen der preuß. Monarchie, 1896. Schön, Das Recht der Kommunal-
verbände in Preußen, 1897. Georg Meyer- Anschütz, Lehrbuch des
Deutschen Staatsrechts, $$ 110ff. und die dort zitierte Literatur. Jel-
linek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., S. 275 ff.
"Hugo Preuß, Das städtische Amtsrecht in Preußen, 1902. Wörterbuch
d. Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, II? S. 39 Art. „Gemeinde“
(von Walz, Stier-Somlo u. A.).