$ 7. Die Selbstverwaltungskörper. 109
sprüche gegen die Gemeinde (Benützung der Gemeinde-
anstalten, Armenunterstützung, Gewerbeausübung usw.) stehen
nicht mehr bloß dem Gemeindebürger zu, sondern jedem Reichs-
angehörigen, der in der Gemeinde wohnt. Die Einwohner-
gemeinde hat der Bürgergemeinde die Mehrzahl aller Selbst-
verwaltungsaufgaben und Selbstverwaltungslasten abgenommen.
— Über den Gemeinden hat der Gesetzgeber Kommunal-
verbände höherer Ordnung organisiert (Kreise und Pro-
vinzen in Preußen; Amtskörperschaften in Württemberg; Kreis-,
Bezirks- und Amtsverbände in Baden usw.??) Sie werden regel-
mäßig gebildet durch Zusammenlegen mehrerer gleichartiger
Gebietskörperschaften.e Der Kommunalverband höherer Ord-
nung ist selbst wieder Gebietskörperschaft. Für seine An-
gehörigen besteht regelmäßig eine doppelte Mitgliedschaft: sie
gehören dem unteren und dem höheren Verbande gleichzeitig an.??
Möglich ist aber auch, daß der höhere Kommunalverband aus-
bayerische Gesetz v. 26. Oktober 1912 hat die Königliche Staatsregierung
„ermächtigt, beim Bundesrat die Einführung des Reichsgesetzes über den
Unterstützungswohnsitz im Königreich Bayern zu beantragen“. Blätter
f. administrative Praxis, Bd. 62, S.148. Auf Grund des bayrischen An-
trags ist sodann ergangen das Reichsgesetz zur Einführung des Gesetzes
über den Unterstützungswohnsitz im Königreich Bayern vom 30. Juni
1913 (der Tag, an welchem das Reichsgesetz in Bayern in Kraft tritt,
wird durch kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats
bestimmt werden). — Auch in den übrigen Staaten Deutschlands
hat das Gemeindebürgerrecht trotz Einführung des Unterstützungs-
wohnsitzgesetzes seine Bedeutung nicht ganz eingebüßt. In den meisten
Staaten ist nämlich für das Wahlrecht in Gemeindeangelegenheiten
und für die Ausübung des „bürgerlichen Nutzungsrechts‘‘ der Besitz
des Gemeindebürgerrechts Voraussetzung. Überdies darf die Heimat-
gemeinde dem Gemeindebürger aus polizeilichen Gründen den Aufent-
halt weder versagen, noch entziehen. Bundesratsbeschluß v. 9. Juli 1894
(Reger XIV 8. 441. Laband, Staatsrecht des Deutschen Reichs I
8.159, Anm. |.
2? Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht II S. 383ff., insbes.
385. Gierke, Deutsches Privatrecht I S. 603. Genossenschaftsrecht
I S. 786ff.
23 Beispiel: Preußische Provinzialordnung für die Provinzen Ost-
und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen, vom
28. Juni 1875 $ 5: „Provinzialangehörige sind alle Angehörigen der zu der
Provinz gehörigen Kreise.“