Drittes Kapitel.
Grundverhältnis zwischen öffentlicher
Verwaltung und Bürger.
8& 8. Die „gesetzmäßige Verwaltung“.!
I. Der Verfassungsstaat hat den Grundsatz der ‚gesetzmäßigen
Verwaltung‘ eingeführt. Mit diesem Ausdruck soll jedoch nicht
gesagt sein, daß alle Verwaltungstätigkeit ihren Antrieb aus-
schließlich durch das Gesetz empfängt. Das Gesetz kann
Motiv für das Handeln der Verwaltungsbehörden sein. Aber
es gibt Gebiete, in denen die Tätigkeit der Verwaltungsorgane
durch rein politische und wirtschaftliche Erwägungen bestimmt
und geleitet wird und nicht durch eine Gesetzesvorschrift (vgl.
darüber oben $ 1). ‚Gesetzmäßige Verwaltung‘ bedeutet daher:
Verwaltung innerhalb der Schranken des Gesetzes. Für alle
privatrechtlichen Handlungen der öffentlichen Verwaltung ver-
steht sich dies von selbst. Der Satz gilt aber auch für die
öffentlichrechtlichen Beziehungen zwischen Staat (Gemeinde)
und Untertan,!® d.h. für die Verhältnisse zwischen einem Träger
obrigkeitlicher Gewalt und seinen Gewaltunterworfenen, somit
1 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I S. 74ff. und Archiv
für öffentl. Recht XVII S. 464ff., XVIII S. 96ff. Anschütz, Allgemeine
Begriffe und Lehren des Verwaltungsrechts nach der Rechtsprechung
des Oberverwaltungsgerichts (Preuß. Verwaltungsblatt XXII S. 83{f.),
ferner „Lücken in den Verfassungs- und Verwaltungsgesetzen‘‘ (Ver-
waltungsarchiv XIV 98. 31öff., insbes. 324—331), und endlich in der
Encyklopädie der Rechtswissenschaft von Holtzendorff und Kohler
II 8. 475, 61l. Thoma, Polizeibefehl im Badischen Recht I S. 98ff.
D. Donati, Il problema delle lacune dell’ ordinamente giuridico, 1910.
is ‚ Untertan‘‘ —= der Staatsgewalt unterworfen. ‚Bürger‘‘ bezeichnet
im strengen Sinne heute nur den mit politischen Rechten (Wahlrecht)
ausgestatteten Staatsangehörigen. Doch wird das Wort im Text in einem
weiteren Sinn verwendet zur Bezeichnung des Staatseinwohners überhaupt.