$ 8. Die „gesetzmäßige Verwaltung“. 131
Die Verwaltungsbehörde ist nicht bloß an das vom überge-
ordneten Gesetzgeber erlassene, sondern auch an das selbst-
geschaffene Recht, an ihre eigene Verordnung, gebunden. Selbst
wenn sich bei der Rechtsanwendung in einem bestimmten Fall
ein Satz der Verordnung als unbequem erweisen sollte, so
bleibt er maßgebend, bis die Behörde die Verordnung auf
dem vom Gesetze gewiesenen Wege abändert. Es besteht kein
allgemeiner Rechtsgrundsatz, der es der Verwaltungsbehörde
gestattete, von der Beobachtung der von ihr erlassenen Rechts-
vorschriften Nachsicht zu gewähren.”®
3. Den Grundsatz der Rechtsgleichheit hat die Behörde
auch bei der Handhabung ihres freien Ermessens zu be-
obachten. Sie darf bei Gleichheit der tatsächlichen Ver-
hältnisse und Gleichheit der Rechtslage einen Bürger oder
eine Kategorie von Bürgern nicht anders behandeln, als alle
übrigen.??
weg und Kompetenzkonflikt S. 112ff. — Anders liegt der Fall, wenn
eine Staats- oder Gemeindebehörde einem Privaten (Unternehmer
einer Gasfabrik oder dgl.) als Entgelt für eine bestimmte Leistung
(Gaslieferung usf.) eine Befreiung von den öffentlichen Abgaben ver-
spricht. Hier liegt bei richtiger Auslegung des Vertrags keine Erteilung
einer Dispensation vor, sondern das gültige privatrechtliche Versprechen
auf Schadloshaltung bis zu einem bestimmten Geldbetrag. Entscheidungen
des Preuß. OVG. Bd 33, S. 107; 38, 8. 147. Reichsgericht in Zivilsachen
Bd. 46, S. 245. Preuß. Verw.-Bl. XXXIII 11 (Urt. d. Kammergerichts
v. 29. Juni 1911). Vgl. auch unten $ 10.
22 Preuß. Ob. Verw.-Ger. 30. Nov. 1882 (Entsch. des preuß. OVG.
IX S. 332, insbes. 337). Walz, Badisches Staatsrecht, S. 224.
23 Rechtsprechung d. Badischen Verwaltungsgerichtshofs, III Nr. 339.
Preuß. Ober-Verw.-Ger. 18. Mai 1909 (Entscheidungen Bd. 54, 8. 262f.):
Die Polizei darf nach ihrem Ermessen den Benutzern des Meeres-
strandes Befehle über das Aufstellen der Strandkörbe erteilen. Übt
sie diese Befugnis aus, so darf sie nicht einem einzelnen Strandkorb-
besitzer befehlen, den Strandkorb nach Gebrauch jeweilen sofort wieder
zu entfernen, während sie allen übrigen Strandkorbbesitzern örtlicher
Übung gemäß das Belassen der Strandkörbe am Meeresufer auch außer-
halb der Gebrauchszeit gestattet. ‚Das wäre Willkür, zu der die Polizei
niemals berechtigt ist.“ — Auch bei der Aufstellung eines Ortsstatuts
darf sich die Gemeindebehörde keine rechtsungleiche Behandlung der
Gemeindeeinwohner zu schulden kommen lassen. Nach einer Entscheidung
des preuß. Ober-Verw.-Gerichts v. 3. November 1897 (Entscheidungen
Bd. 32, S. 122), ist es unzulässig, „wenn bei einer einheitlichen, das ganze
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