Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

$ 9. Inhalt der verwaltungsrechtlichen Verhältnisse. 133 
der Gesetzgeber ab, wenn er z. B. die Behörde anweist, bei Gefahr 
für die öffentliche Sicherheit die „angemessenen Maßnahmen“ 
zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zu treffen, oder 
wenn er sie zur Zwangsenteignung zu Gunsten eines ‚im öffent- 
lichen Interesse‘“ zu errichtenden Unternehmens ermächtigt, oder 
wenn er sie beauftragt, die Erteilung einer Schankkonzession von 
dem Nachweis eines vorhandenen ‚„Bedürfnisses‘“‘ abhängig zu 
machen (Reichsgewerbeordnung 8 33). Der Gesetzgeber ist sich 
bewußt, daß in allen diesen Fällen die zur Betätigung des freien 
Ermessens berufene Behörde unter den wandelbaren Anschau- 
ungen ihrer Zeit und ihres Ortes stehen wird.” Indem daher der 
Gesetzgeber bei der Begründung und Ausgestaltung öffentlicher 
Rechtsverhältnisse das freie Ermessen der Behörde mitwirken 
läßt, fügt er den unverbrüchlichen Rechtsätzen ein beweg- 
liches Element bei, das die Behörde in den Stand setzt, ihre 
Verfügungen den wechselnden Bedürfnissen des Lebens anzu- 
passen. Die Normen des Gesetzes sind jedoch auch für das 
freie Ermessen unübersteigbar. Daher ist das Bedenken, wo der 
Rudolf v. Laun, Das freie Ermessen und seine Grenzen, 1910 und dazu 
die Kritik von Thoma im Verwaltungsarchiv XX 444. Paul Oertinann, 
Die staatsbürgerliche Freiheit und das freie Ermessen der Behörden, 1912 
(Vorträge d. Gehe-Stiftung, Bd. IV Heft 2) und dazu die Kritik von 
Thoma in der Zeitschr. f. Politik VI 239. Oertmann ‚„Freies und un- 
freies Ermessen“ in der DJZ. XVII 186. Walter Jellinek, Gesetz, 
Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S.2(Literaturangaben), 
36, 89, 137, 157, 177, 188, 194ff., 331ff. R. v. Laun, Zum Problem des 
freien Ermessens, 1913 (Festschrift für Zitelmann). 
2 Es wird nie gelingen, den Begriff des „öffentlichen Interesses‘ 
in ein System zu bringen. Denn die Anforderungen des öffentlichen 
Interesses wechseln von Rechtsinstitut zu Rechtsinstitut. Man kann 
daher höchstens beschreiben, von welchem Begriff des öffentlichen Inter- 
esses die Expropriationsgesetzgebung, die Steuergesetzgebung usf. aus- 
geht. Julius Neumann, Das öffentliche Interesse mit Bezug auf das 
Gebühren- und Steuerwesen, die Expropriation und die Scheidung von 
Privat- und öffentlichem Recht (Annalen des Deutschen Reiches, 1886, 
S. 357ff.).. Layer, Prinzipien des Enteignungsrechts, 1902, S. 176 und die 
dort zit. Autoren (Staats- u. völkerrechtl. Abhandlungen, herausg. von Jellinek 
u. Anschütz, Bd. III). W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung S. 68fl. 
2* Schweiz. Zivilgesetzbuch Art. 4: ‚Wo das Gesetz den Richter auf 
sein Ermessen oder auf die Würdigung der Umstände oder auf wichtige 
Gründe verweist, hat er seine Entscheidung nach Recht und Billirkeit 
zu treffen‘.
	        
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