Erstes Kapitel.
Grundbegriffe.
8 1. Verwaltung.!
I. Alles staatliche Leben steht unter einer geschriebenen
oder ungeschriebenen Grundordnung, die wir die Staatsver-
fassung nennen. Sie ist es, die den Staat mit Organen aus-
stattet und ihn willens- und handlungsfähig macht. Dadurch
wird der Staat zur Rechtspersönlichkeit. Er ist in den Stand
gesetzt, durch Führung seiner Geschäfte seine Lebenszwecke zu
erreichen. Die Tätigkeit einer physischen oder juristischen Per-
son, die im Besorgen ihrer Geschäfte besteht, heißt Verwaltung.?
Von der Verwaltung des Privaten wird in diesem Zusammen-
hange nicht die Rede sein. Uns soll in den nachfolgenden Er-
örterungen allein die Verwaltung des Staats beschäftigen. Was
der Staat zur Lösung seiner Lebensaufgaben unternimmt, er-
scheint im Gegensatz zur Verfassung als Verwaltung im
weiteren Sinn. Wenn die Verfassung im staatlichen Leben
das ruhende, beharrende Moment darstellt, so tritt uns in der
1 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I $1. Otto Mayer,
Theorie des franz. Verwaltungsrechts, 1886, S. 1—25. Hänel, Das
Gesetz im formellen und materiellen Sinne (Studien zum deutschen
Staatsrecht II, [1888] S. 177ff.). Laband, Staatsrecht des Deutschen
Reiches, 5. Aufl., 1911, IIS. 172ff. G.Jellinek, Gesetz und Verordnung,
1887,8.213ff. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. herausgegeb.
v. Walter Jellinek, 1914, S. 606. Rosin, Souveränetät, Staat, Ge-
meinde, Selbstverwaltung (Annalen des Deutschen Reichs 1883, S. 265 ff.).
Anschütz, Deutsches Staatsrecht, in Holtzendorff-Kohlers Encyklopädie
der Rechtswissenschaft II, S. 474 und 610. Ulbrich, Der Rechts-
begriff der Verwaltung (Grünhuts Zeitschrift für das Privat- und
öffentl. Recht IX S. 1). Vierhaus, Gerichtsbarkeit und Verwaltungs-
hoheit (Verwaltungsarchiv XI S. 222).
® Ver-walten, walten, valere: lenken, regieren, einen Willen betätigen.
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