$ 11. Öffentliche Pflichten und öffentliche Rechte. 157
verhältnisses abgesehen ist. Durch den Eintritt in ein besonderes
Gewaltverhältnis wird der Bürger ein arbeitendes oder zu be-
arbeitendes Glied des staatlichen Verwaltungsapparates. Alssolchem
sind ihm besondere, über die allgemeinen Untertanenpflichten
hinausgehende Pflichten zugewiesen. Die Gehorsamspflicht des
Bürgers wird gesteigert. Sie erstreckt sich auf alle Befehle, die dem
Eingetretenen im Interesse des in dem Gewaltverhältnis verkör-
perten Verwaltungszweckes (Erziehung, Strafe, Überwachung usf.)
von der vorgesetzten Behörde erteilt werden. Fundament und
Grenzmauern jedes besenderen Gewaltverhältnisses stammen
vom Gesetzgeber her.” Die Ausfüllung des freien Raumes aber,
d. h. die Erteilung der ungezählten Einzelanordnungen, die zur
Erreichung des besonderen Zweckes erforderlich sind, ist dem
pflichtgemäßen Ermessen der Behörde überlassen, welche der
Anstalt oder dem Verwaltungszweig vorsteht.”® Die besondere
gewerbsmäßige Unzucht straflos ausüben zu können. Vgl. darüber
Gustav Roscher, Großstadtpolizei, 1912, S. 256 ff, Mittermaier,
in der Vergleichenden Darstellung des deutschen und ausländischen
Strafrechts, Bd. IV (1906) S. 157ff., insbes. S. 162. Bitter, Hand-
wörterbuch der preuß. Verwaltung, Art. „Gewerbsmäßige Unzucht‘‘,
Bd. I? S.816, und Art. „Sittenpolizei‘‘, Bd. 11? S. 555. Frank, Strafgesetz-
buch!®, S. 618. Schlusser, Badisches Polizeistrafrecht, 3. Aufl. (be-
arbeitet von Ernst Müller), 1908, S. 474—475. Vgl. ferner den Bescheid
des Hamburger Oberstaatsanwalts v. 16. Dez. 1900 (Reger, XXII 402);
ferner Reger, XX 91; XXI 42; XXVI289. Dagegen ist die Behörde nicht
befugt, eine Frauensperson durch Zwangsmaßregeln dazu anzuhalten,
daß sie sich als „Kontrolldirne‘‘ einschreiben läßt. Bruck, Verfassungs-
und Verwaltungsrecht von Elsaß-Lothringen II S. 195.
” Wie Mittermaier in der in der vorangehenden Anm. zitierten Ab-
handlung hervorhebt, ist jedoch die gesetzliche Grundlage für die Regle-
ınentierung der Prostitution nicht einwandfrei.
‘“ Im einzelnen Fall kann die Beantwortung der Frage Schwierig-
keiten bereiten, wo dieses besondere Gewaltverhältnis aufhört und der
Bereich beginnt, in dem der Einzelne der Behörde lediglich als einfacher
Bürger gegenübersteht und in dem er sich daher cbenso frei bewegen
darf, wie die übrigen Untertanen. Das wird wichtig z. B. im Beamten-
verhältnis. Anerkannt ist, daß Dienstbefehle, die das Privatleben be-
treffen (z. B. der Befehl, an einem bestimmten Tag die Kirche zu be-
suchen oder eine bestimmte Zeitung zu halten oder nicht zu halten),
unverbindlich sind. Andererseits aber ist das Privatleben des Beamten
für den Staat nicht bedeutungslos. Vgl. z. B. Reichsbeamtengesetz $ 10:
Der Reichsbeamte hat „durch sein Verhalten in und außer dem Amte