$ 11. Öffentliche Pflichten und öffentliche Rechte. 167
Träger der öffentlichen Gewalt. Der Träger der öffentlichen
Gewalt alssolcher ist dem Untertan zueiner bestimmten Leistung
rechtlich verpflichtet. Er hat m. a. W. die öffentliche Gewalt
nach bestimmten Richtungen zu Gunsten des Untertans aus-
zuüben.°! Als ein umfassendes subjektives Recht läßt sich daher
auch der allgemeine Gesetzvollziehungsanspruch charakterisieren.
Im eigentlichen Sinne sprechen wir jedoch von subjektiven
Rechten nur in den Fällen, in denen das Gesetz an die Stelle
dieses allgemeinen Anspruchs eine Forderung auf eine genau
abgegrenzte Leistung hat treten lassen. Überblickt man in Gesetz-
gebung und Praxis alle hier in Betracht fallenden Erscheinungen,
so gewinnt man folgendes Bild::?!2 Der Untertan besitzt ein Recht
darauf, daß die öffentliche Verwaltung ihm bestimmte positive
Leistungen gewähre. Hauptbeispiele: Die Ansprüche auf Bezüge
und Zuwendungen finanzieller Art (Beamtengehalt, Pension,
Krankengeld usf.); der Anspruch auf Erteilung des sog. Patent-
schutzes usw.; der allgemeine Rechtsschutzanspruch, der den
Untertan mit der Befugnis ausstattet, die öffentliche Gerichts-
gewalt zu seinen Gunsten in Bewegung zu setzen usf.?? Die zweite
Kategorie öffentlicher Rechte bilden die Ansprüche der Bürger
auf Teilnahme an der Staatsgewalt. Man bezeichnet sie als
„politische Rechte‘: das Wahlrecht; das Recht, als Geschworener
oder Schöffe tätig zu sein; das Recht des Monarchen auf die
Krone usw. Die dritte Kategorie stellen die sog. individuellen
Recht Bd. 38, 8. 603). Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre,
1911, 8. 567#f. v. Stengel-Giese, Art. „Öffentliche Rechte u. Pflichten“
im WB d. VerwR? III4. Ottmar Bühler, Die subjektiven öffentlichen
Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1913.
Hauriou, Principes de Droit public, 1910 p. 540.
3! Mit Hilfe dieses Satzes rechtfertigt das Kgl. Sächsische Ober-
verwaltungsgericht die Auffassung, daß ein Baugesetz auch subjektive
öffentliche Rechte zu Gunsten der Nachbarn eines Baubewerbers begründen
könne (s. oben $ 10, Anmk. 36): es verleiht dem Berechtigten „dergestalt
eine rechtliche Macht über die öffentliche Gewalt, daß er letztere behufs
Schutzes seiner Interessen zum Einschreiten zwingen darf.“ Entscheidung
vom 14. Oktober 1908 (Jahrbücher XIII, S. 4ff., insbes. 8. 10).
sie Ein abweichendes Einteilungeprinzip stellt Kormann, Grund-
züge 3. 915 ff. auf (Annalen d. Deutschen Reichs 1911).
3 Wach, Zivilprozeßrecht I 8.19. Jellinek, System der sub-
jektiven öffentlichen Rechte S. 124. Hellwig, System des Deutschen
Zivilprozeßrechts S. 291.