Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

$ 12. Anspruch- und pflichtbegründendce Staatsakte. 187 
weil die Umstände sich inzwischen verändert haben. Aber 
auch die Anschauungen über die Anforderungen des Staats- 
interesses können sich wandeln, so daß heute die Behörde 
die Ansicht nicht mehr aufrecht zu erhalten vermag, von 
welcher sie noch vor kurzem bei Erlaß einer Verfügung geleitet 
worden ist. Wenn die Behörde an ihre einmal erlassene Verfü- 
gung gebunden wäre, so vermöchte sie sich davon auch dann nicht 
zu entfernen, wenn das öffentliche Interesse eine abweichende 
Anordnung gebietet. Ein Zustand aber, der dem öffentlichen 
Interesse widerspricht, darf auch nicht für einen Tag weiter- 
bestehen?” Aus diesem Grunde kann die Verwaltungsbehörde 
an ihre Anordnungen nicht gebunden sein, wie das Gericht an 
das Urteil; den Verfügungen der Verwaltungsbehörden fehlt die 
materielle Rechtskraft.” Die Behörde darf ihre eigene Verfü- 
3° Urteil des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. April 
1903 (Budwinski, Sammlung der Erkenntnisse des K. K. Verwaltungs- 
gerichtshofs Bd. XXVII, Administrativrecht Nr. 1675): Die Unterbehörde 
hatte ein Verbot erlassen, Sammelmarken in Verkehr zu bringen, die 
staatlichen Geldstücken sehr ähnlich sahen; das Verbot wurde jedoch 
von der Statthalterei aufgehoben. Bald darauf erläßt die Unterbehörde 
dasselbe Verbot; hiergegen wird Rekurs eingereicht mit der Begründung, 
es liege res judicata vor. ‚Der Verwaltungsgerichtshof konnte dieser 
Argumentation nicht folgen; denn wenn man die Wirkungen der Rechts- 
kraft auf dem Gebiet der Verwaltung noch so weit faßte, so würde sich 
dieselbe auf den vorliegenden Fall doch nicht erstrecken. Diese Wirkungen 
können nämlich niemals so weit führen, daß in einer Angelegenheit, durch 
welche ein staatliches, im öffentlichen Interesse begründetes Hoheits- 
recht berührt wird, ein möglicherweise rechtswidriger Zustand darum 
für immer geduldet werden soll, weil er einmal rechtsirrtümlich gestattet 
wurde. Es war vielmehr davon auszugehen, daß die Staatsverwaltung 
jederzeit berechtigt ist, einen derartigen Zustand zumindest mit der Wir- 
kung ex nunc zu beseitigen.‘‘ Über die Einschränkungen dieses Grund- 
satzes 8. unten S. 190 ff. 
40 Die Frage ist sehr bestritten. Für die „materielle Rechtskraft“ 
der Verwaltungsakte (Verfügungen) hat sich der Braunschweigische Ver- 
waltungsgerichtshof ausgesprochen; die exceptio rei judicatae sei begründet, 
wenn eadem res vorliege. Reger XXVII S. 184; XXX 29; Soergel, I 
S.159 Nr.3; V 327. Urt.d. Braunschw. Verw.-G.-H. 12. Mai 1909 (materielle 
Rechtskraft gelte aber nur „bis auf weiteres‘‘) in der Ztschr. f. Rechtspflege 
im Herzogtum Braunschweig Bd. 56, Beil. 8.5. Auch der bayrische Ver- 
waltungsgerichtshof neigt dazu, den Verfügungen der Verwaltungsbehörden 
materielle Rechtskraft zuzugestelien, schränkt diese Ansicht aber nach zwei
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.