188 $ 12. Anspruch- und pflichtbegründende Staatsakte.
gung abändern oder zurücknehmen (widerrufen) nicht bloß bei
einer Änderung der äußeren Verhältnisse, sondern schon ‚‚wegen
geänderter oder abweichender Ansicht‘, d.h. wenn sie Tat-
sachen anders würdigt oder Rechtssätze anders auslegt,** als sie es
beim Erlaß der Verfügung getan hat.*° Daraus folgt, daß umgekehrt
auch der Untertan jederzeit den Antrag auf Abänderung oder
Aufhebung einer gegen ihn erlassenen Verfügung zu stellen be-
fugt ist mit der Begründung, das Gemeininteresse verlange die
weitere Aufrechterhaltung der Verfügung nicht. Die angerufene
Richtungen ein: er nimmtan, daß Rechtskraft überhaupt nur solchen Ver-
fügungen der Verwaltungsbehörden zukommen könne, die einen ver-
waltungsrechtlichen Ausspruch über bestrittene Rechte und Verbindlich-
keiten enthalten und vertritt im übrigen die Meinung, daß jede Verfügung
nur unter der clausula rebus sic stantibus gelte; bei Veränderung der
Sachlage könne deshalb eine neue Verfügung ergehen. S. Reger-Dyroff,
Bayr. Verwaltungsgerichtsgesetz, 4. Aufl., 1908, 9.488f. Reger XXVIII
S. 173.
41 Badische landesherrliche Verordnung v. 31. August 1884, das Ver-
fahren in Verwaltungssachen betreffend $43 Ziff. 1. — Beispiele: Der Wider-
ruf einer von der Polizei erteilten Tanzerlaubnis ist jederzeit zulässig.
Soergel I S. 565 Nr.5; ferner II S. 813, Nr.79. Preußisches Ver-
waltungs-Bl. XXXIV 620. Die Behörde versagt die Genehmigung
zur Abhaltung einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel
($ 7 des Vereinsgesetzes vom 19. April 1908) oder sie verbietet
die Aufführung eines Theaterstücks, weil sie eine Störung der öffentlichen
Sicherheit befürchtet. Hinterher überzeugt sie sich von der Unrichtigkeit
ihrer Ansicht. Sie kann daher jederzeit ihre Verfügung zurücknehmen.
Ebenso kann sie die erteilte Erlaubnis zur Abhaltung einer Versamm-
lung oder zur Aufführung eines Theaterstücks jederzeit zurücknehmen,
wenn sie einsieht, daß die öffentliche Sicherheit gefährdet würde. Jahr-
bücher des Kgl. Sächs. Oberverwaltungsgerichts I S. 26. Entscheidungen
des Preuß. Oberverwaltungsgerichts Bd 23, S.164; Bd. 57, S. 322 (Reger
XXXI1 228). S. ferner Soergel IV S. 696, Nr. 72. Rechtsprechung des
Badischen Verwaltungsgerichtshofs III Nr. 408—410, 1302.
42 Beispiel: Die Behörde legt den Begriff der Völlerei (RGewO. $ 33,
Abs. 2, Ziff. 1) in einem anderen Sinn aus als in einem früheren Falle.
Reger XXIII S. 218. Entscheidungen des Preuß. Öberverwaltungs-
gerichts Bd. 57, 3.26. — Dagegen ist die Behörde, welche ein Strafurteil
in der Form einer Verfügung erlassen hat (vgl. oben $ 2) nicht befugt,
diese Verfügung zurückzunehmen. Anderer Ansicht ist ein Erlaß des
preuß Ministeriums des Innern vom 6. Mai 1902. Reger XXII S. 426.
43 Über den Einfluß eines neuen Gesetzes auf bereits bestehende
Verhältnisse siche oben 8.89.