$ 12. Anspruch- und pflichtbegründende Staatsakte. 191
den dürfen. Denn die Aufgabe eines solchen Verfahrens besteht ge-
rade darin, einerseits Raum zu schaffen für eine allseitige Prüfung
der öffentlichen Interessen, andrerseits aber dem Bürger Gewähr
dafür zu bieten, daß die auf diese Weise zustande gekonımene
Verfügung nicht mehr abgeändert wird. So ist z. B. der
Gewerbetreibende, dem auf Grund des in der Gewerbeord-
nung ($ 19ff.) vorgeschriebenen Einspruchsverfahrens eine ge-
werbepolizeiliche Erlaubnis erteilt worden ist, gegen nachträg-
liche individuelle Auflagen geschützt worden; die Gewerbeerlaub-
nis darf nur aus ganz bestimmten, im Gesetz (GewO. $$ 40 und 53)
aufgezählten Gründen abgeändert oder widerrufen werden.*’
Ebensowenig ist die Behörde zur Abänderung einer von ihr er-
teilten baupolizeilichen Bewilligung befugt, nachdem der Eigen-
tümer mit der Errichtung des Baues begonnen hat.°° In gleicher
Weise schützt, wenn das Gesetz nicht ausdrücklich ein anderes
bestimmt, eine formell rechtskräftig gewordene ‚‚Steuer-Veran-
lagung‘‘ den Steuerpflichtigen gegen eine Nachbesteuerung —
vorausgesetzt, daß die Behörde bei der Veranlagung die für den
Umfang der Steuerpflicht erheblichen Tatsachen gekannt hat
— .-
49 S, unten$24. Landmann, Kommentar z.GewO.I®S.191. Vossen,
Der Schutz der Gewerbefreiheit und der Verfassungsrechte durch das
preuß. Oberverwaltungsgericht, 2. Aufl., 1910, S. 71ff. O. Mayer, I 302.
Kormann, RechtsgeschäftlicheStaatsakte S. 340. Das Gemeinwohl schützt
jedoch die GewO. in anderer Weise. Vgl. $51: „Wegen überwiegender
Nachteile und Gefahren für das Gemeinwohl kann die fernere Benutzung
einer jeden gewerblichen Anlage durch die höhere Verwaltungsbehörde
zu jeder Zeit untersagt werden. Doch muß dem Besitzer alsdann für
den erweislichen Schaden Ersatz geleistet werden. — Gegen die unter-
sagende Verfügung ist der Rekurs zulässig; wegen der Entschädigung
steht der Rechtsweg offen.“ Landmann, Kommentar zur GewO. I®
S. Sl4ff.
50° Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I S. 302. Baltz,
Preuß. Baupolizeirecht S. 144 und die dort zitierten Gerichtssprüche.
Preuß. Ober-Verw.-G. 29. Oktober 1910 (Preuß. Verw.-Bl. XXXII 697)
Jahrbücher des Kgl. Sächs. OVG. Bd. VII S. 126, XI S. 31; XVII 227:
Soergel V 492. Das Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 34 S. 242 (Urteil
v. 22. Sept. 1894) vertritt die Ansicht, daß erst dem fertigen Bau gegen-
über die Behörden gebunden seien. Ebenso Fr. J. Roth, Badische Landes-
bauordnung vom 1. September 1907, 2. Aufl. 1909, S. 344. Soergel, I
S. 678 Nr. 152.