$ 12. Anspruch- und pflichtbegründende Staatsakte. 193
Verfügungen zurückzunehmen. Die eine dieser Ermächtigungen
ist der durch Gesetz oder durch die Verfügung selbst aufgestellte
Widerrufs- oder Abänderungsvorbehalt.®* Nahe verwandt damit
ist die gewissen rechtsbegründenden Verfügungen von Ge-
setzeswegen anhaftende Verwirkungsklausel, kraft deren die
Behörde die Befugnis erlangt, dem Privaten das verliehene Recht
wieder zu entziehen, wenn er die damit verbundenen öffentlichen
Pflichten nicht erfüllt.°° Endlich aber gibt es Verfügungen, die
nur so lange Gültigkeit behalten, als die Voraussetzungen fort-
dauern, unter denen die einzelne Verfügung erlassen worden ist.°®
Die Behörde kann ermächtigt sein, bei Änderung oder Wegfall
dieser Voraussetzungen ihre Verfügung ganz zurückzunehmen
oder sie durch eine andere zu ersetzen. Es sei jedoch aus-
drücklich bemerkt, daß die Rücknahme einer Verfügung wegen
54 Kormann, Rechtsgeschäftl. Staatsakte S. 330ff. Vgl. z.B. Reichs-
gesetz über das Auswanderungswesen, v. 9. Juni 1897, $ 10: „Die den Unter-
nehmern erteilte Erlaubnis kann unter Zustimmung des Bundesrats
vom Reichskanzler jederzeit beschränkt oder widerrufen werden... .‘
vgl. ferner $18. — Einen Abänderungsvorbehalt pflegen die Polizei-
behörden der Polizeierlaubnis (Baukonsens, Gewerbekonzession) bei-
zufügen (‚Vorbehalt weiterer Bedingungen‘), sofern sich zur Zeit der
Erteilung der Polizeierlaubnis noch nicht überblicken läßt, wie weit das
neue Unternehmen auf das Publikum schädlich einwirken wird. Land-
mann, GewO. I® S. 192. Baltz, Preuß. Baupolizeirecht S. 30. — Der-
artige Vorbehalte sind nur zulässig, sofern sie dazu dienen, gesetzliche
Anforderungen zur Geltung zu bringen.
65 Kormann, Rechtsgeschäftl. Staatsakte S. 403ff. So schreibt
das Preußische Gesetz über die Eisenbahnunternehmungen v. 3. November
1838 $47 vor, die Eisenbahnkonzession werde verwirkt und die Balın
für Rechnung der Gesellschaft versteigert, „wenn diese eine der all-
gemeinen oder besonderen Bedingungen nicht erfüllt und eine Auffor-
derung zur Erfüllung binnen einer endlichen Frist von mindestens drei
Monaten ohne Erfolg bleibt.“ Über Verwirkung des Patents: Reichs-
patentgesetz v. 7. April 1891 $ 11. Verwirkung des Enteignungsrechts:
Kgl. Sächs. Enteignungsgesetz v. 1902, $ 12, Abs. 4 u.a. m.
66 Kormann, Rechtsgeschäftl. Staatsakte S. 36lff. Beispiele:
Reichsversicherungsordnung $ 608: „Tritt in den Verhältnissen, welche
für die Feststellung der Entschädigung maßgebend gewesen sind, eine
wesentliche Änderung ein, so kann eine neue Feststellung getroffen
werden.‘‘ Ebenso $ 1304 (Entziehung der Invalidenrente). Vgl. auch
GewO. $ 53 (Entziehung der Approbation, wenn dem Inhaber die bürgerl.
Ehrenrechte aberkannt werden).
Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts. 3. Aufl. 13