Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

$ 12. Anspruch- und pflichtbegründende Staatsakte. 197 
Wirkungen, sondern bloß in der Art, wie die Beseitigung der 
ungültigen Verfügung herbeigeführt wird.°* Nur durch förmliche 
Aufhebung von seiten der zuständigen Behörde ist daher eine 
Verfügung aus der Welt zu schaffen, welcher die gesetzlichen 
Voraussetzungen fehlen,°° oder eine Verfügung, in welcher die 
Behörde den Bereich ihres freien Ermessens überschritten hat,°® 
oder eine Verfügung, welche Willensmängel aufweist.°” Was den 
zuletzt genannten Ungültigkeitsgrund betrifft, so hat sich die 
Praxis wiederholt mit dem Bedenken beschäftigt, ob und inwieweit 
der Irrtum der verfügenden Behörde Einfluß auf die Rechts- 
gültigkeit der Verfügung äußert. Irrt die Behörde bei der 
Auslegung einer Gesetzesvorschrift oder bei der Würdigung 
einer Tatsache, so wird dadurch ihre Verfügung an sich nicht 
ungültig. Anders dagegen liegt die Sache in den Fällen, in 
%4 Wenn der Zivil- und Strafrichter berufen ist, incidenter (als 
Vorfrage) über die Rechtsgültigkeit einer Verfügung zu befinden, so 
ist er befugt, rechtliche Wirkung auch der Verfügung abzusprechen, 
die noch formell zu Recht besteht. Wenn beispielsweise der Straf- 
richter nach $ 110 StGB. prüfen muß, ob der Angeklagte zum Un- 
gehorsam „gegen die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit 
getroffenen Anordnungen aufgefordert‘‘ hat, so liegt dem Strafrichter ob, 
nach öffentlichrechtlichen Grundsätzen zu untersuchen, ob die obrig- 
keitliche Anordnung rechtsbeständig gewesen ist. Frank, Strafgesetz- 
buch!?, S. 215. 
66 Vgl. oben S. 183. Z. B.: Ein Ausländer ist naturalisiert worden, der 
nicht um Verleihung der Staatsangehörigkeit nachgesucht hat. Oder: eine 
Person ist von einer Krankenkasse als freiwillig Versicherter angenom- 
men worden, bei der eine der Voraussetzungen für die freiwillige Ver- 
sicherung fehlt. Reger, Erg.-Bd. IV 62. 
66 3. oben $S. 132ff. 
6” Vgl. zum Folgenden Bekker, Pandekten II S. 56ff. Kormann, 
Rechtsgeschäftl. Staatsakte S.279ff. Richard Giessner, Wirkungen von 
Willensmängeln auf die Anstellung oder Entlassung eines unmittelbaren 
preußischen Staatsbeamten, Göttinger Dissertation 1912, S. 26 ff. Siehe 
auch oben 8. 182. Dahin gehört auch die Verfügung, die eine unbe- 
stimmte Anordnung enthält. Vgl. oben S. 158, Anmerk. 1. Reger, Bd.31, 
S. 9. — Außer Betracht bleiben hier die Verfügungen geschäftsunfähiger 
Beamter. Vgl. über sie Kormann, Rechtsgeschäftl. Staatsakte S. 290ff. 
Giessner a.a. 0. S. 32ff. 
e8 Wohl aber kann die Entdeckung des Irrtums der Behörde Anlaß 
zur Zurücknahme ihrer Verfügung geben, falls eine solche aus allgemeinen 
Gründen zulässig ist. Preuß. OVG. 22. Dezember 1909: Der Amtsvor-
	        
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