Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

$ 13. Verwaltungszwang. 205 
der Weise bedient sich dieses Mittels das französische Recht. 
Das französische Strafgesetzbuch kennt ein allgemeines Delikt 
„Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen“.” Von einem sol- 
chen allgemeinen Ungehorsamsdelikt weiß jedoch die Gesetz- 
gebung Deutschlands nichts. Wohl hat das Reichsrecht in 
den Vorschriften des Reichsstrafgesetzbuchs über den Wider- 
stand gegen die Staatsgewalt und über die Übertretungen 
(zweiter Teil, Abschnitte 6 und 29) die Auflehnung gegen 
bestimmte Arten staatlicher Befehle und die Nichtbeachtung 
gewisser polizeilicher Gebote und Verbote unter Strafe ge- 
stellt, und die Landesgesetzgebung hat in ihrem Kompetenz- 
bereich? dasselbe getan durch die Normierung bestimmter Polizei- 
delikte,* Finanzdelikte usw. Stets aber hat der Strafgesetz- 
geber die Tatbestände genau abgegrenzt und dabei einen großen 
Teil amtlicher Verfügungen unbewehrt gelassen. Schon aus 
diesem Grunde kann in Deutschland die Strafe nicht die 
Funktion eines allgemeinen verwaltungsrechtlichen Zwangs- 
mittels erfüllen. Die Reichsstrafprozeßordnung, $$ 453 und 
459, gestattet zwar der Landesgesetzgebung, die Ahndung der 
sog. Polizeidelikte und Finanzdelikte in bestimmtem Umfang den 
Verwaltungsbehörden zu übertragen.** Aber damit wird diesen 
Behörden keine verwaltungsrechtliche Zwangsgewalt in die Hand 
gegeben, sondern die Ausübung richterlicher Funktionen zuge- 
wiesen. Ihre Entscheidungen sind richterliche Urteile,® die auf 
2 Code penal, art. 471: ‚‚Seront punis d’amende depuis un franc 
jusqu’& cing francs inclusivement... 15°: Ceux qui auront contrevenu 
aux reglements l6galement faits par l’autorite administrative, et ceux qui 
ne se seront pas conform6s aux reglements ou arr&t6s publies par l’au- 
3 EG. zum Reichsstrafgesetzbuch $ 2. 
4 Über die Polizeistrafgesetzbücher s. oben 8. 77 ft. 
4 Rasch im Preuß. Verw. Bl. XXXIV 4l. 
5 Reichsgericht in Strafsachen vom 19. Februar 1901 und 20/27. 
Juli 1903 (Reger, XXI 445 und XXIV, S. 388: auch bei derartigen 
Entscheidungen gilt der Grundsatz des ‚ne bis in idem‘‘,. Kormann, 
Rechtsgeschäftliche Staatsakte S. 342. Besteht ein Verfolgungszwang 
Ja; Barth in Fischers Ztsch. f. Presse u. Gesetzg. d. Verw. Bd. 41, S. 314. 
LubowskiimPreuß.Verw.Bl.XXX111709. Andrer Ansicht die beiReger, 
XXI, S. 417 und XXII, S. 426 mitgeteilten Erlasse, welche in den betr. 
Entscheidungen der Verwaltungsbehörden zurücknehmbare Verwaltungs- 
akte erblicken.
	        
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