Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

$ 14. Beschwerde. 221 
Verfügung ergangen, durch die sich der Bürger in seinen Rechten 
oder Interessen verletzt glaubt, so stellt ihm die Rechtsordnung 
bestimmte Rechtsbehelfe zur Abwehr zur Verfügung.® Die- 
selben Rechtsbehelfe dienen aber dem Bürger auch dazu, sich 
gegen eine Untätigkeit der Behörde, ein Nichthandeln zu wehren. 
Das nächstliegende Mittel wird für den Bürger stets die 
Gegenvorstellung (Remonstration) sein: Der Betroffene 
wendet sich an die Behörde, die die Verfügung erlassen hat und 
verlangt unter Darlegung von Gründen Zurücknahme oder Ab- 
änderung der ergangenen Verfügung. Die Behörde ist befugt, 
darauf einzutreten, weil ihre Verfügung nicht in materielle 
Rechtskraft erwachsen ist. Eine Pflicht, sich mit der Angelegen- 
heit aufs neue zu befassen, besteht dagegen für die Behörde nicht. 
Sie kann sich auf die Antwort beschränken, sie trete auf die 
Sache nicht nochmals ein.“ Der Bürger besitzt aber die weitere 
Möglichkeit, bei der der verfügenden Behörde vorgesetzten 
Instanz Anzeige zu erstatten. Die Anzeige führt zur Auf- 
hebung der Verfügung nur, wenn der Bürger nachweisen kann, 
daß die obere Instanz vermöge ihrer Aufsichtsgewalt von Amtes- 
wegen die Verfügung zurücknehmen muß, weil z. B. klares 
Recht, prozessuale Formen oder öffentliche Interessen offen- 
sichtlich verletzt worden sind. Eine solche Anzeige behauptet 
somit stets, eine Verfügung sei ungültig. (Vgl. oben S. 194 ff.) 
II. Gegenvorstellung und Anzeige sind für den Bürger entweder 
nur unvollkommene oder aber außerordentliche Rechtsbehelfe. 
Das normale Rechtsschutzmittel bildet die Beschwerde (Re- 
® Kamptz, Rechtsprechung des Preuß. Ob.-Verw.-Ger. IV S. 1301. 
* Der Unterschied ist wichtig wegen der Berechnung der Beschwerde- 
frist. Verfügt die Behörde neu, so wird die Frist von der neuen Verfügung 
an berechnet, ergeht dagegen ein ablehnender Bescheid, so läuft die Frist 
von der alten Verfügung an. Denn wenn die Behörde die Gegenvor- 
stellung für begründet erachtet, so muß sie eine neue Verfügung erlassen, 
die alte ist erledigt. Preuß. OVG. 19. Januar 1912 (Preuß. VerwBl. 
XXXIV 63). 
5 Urt. des Ob.-Land-Ger. Dresden vom 28. Januar 1897 (Reger, 
XVIII 311; vgl. auch XIX 2). — Denn der Aufsichtsbehörde kommt die 
von Beschwerde und Anzeige unabhängige Pflicht zu, von Amteswegen eine 
Verfügung der untern Instanz, welche das öffentliche Interesse verletzt, 
aufzuheben. Kgl. Sächs. OVG. 29. März 1912 (Reger XXXIII 289).
	        
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