228 $ 15. Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Verwaltungsbeamte in allen Lagen das öffentliche Interesse
gegen den Untertan zu vertreten hat, so liegt die Gefahr nahe,
daß die Gesetze einseitig zu Gunsten des Staates ausgelegt werden.
Dieser Gefahr wird nicht durch die Einrichtungen des Be-
schwerdeverfahrens vorgebeugt. Denn es sind stets die Ver-
waltungsbehörden selbst, die die Beschwerde beurteilen. Die
Forderung auf Einsetzung einer unabhängigen Rechtsschutz-
instanz auf dem Gebiete des Verwaltungsrechtes wurde deshalb
schon unmittelbar nach der Gründung des Verfassungsstaates
erhoben. Zu den sachlichen Einwendungen gegen eine aus-
schließlich den Verwaltungsbehörden überlassene Ausübung
des Verwaltungsrechts gesellte sich noch ein politisches Be-
denken. Die Verfassungsurkunden hatten bei der Verteilung
der verschiedenen staatlichen Funktionen an die verschie-
denen Staatsorgane die Verwaltung zur Domäne des Fürsten
gemacht, diesen aber dabei an die Mitwirkung von Ministern
gebunden, welche der Volksvertretung verantwortlich wurden.
Die Befürchtung erwachte nun, es möchten die vom
Willen des Fürsten und auch von ’den politischen Parteien
abhängigen Verwaltungsbehörden das Verwaltungsrecht zu
politischen Zwecken parteimäßig auslegen. Schon früh ver-
suchte man in zwei deutschen Staaten, dieser Gefahr zu be-
gegnen. Die Verfassungsurkunde für das Königreich Würt-
temberg vom Jahre 1819, $ 60,? wies einer über den Ressort-
ministerien eingerichteten und für diesen Zweck mit richterlichen
Mitgliedern verstärkten Kollegialbehörde, dem sog. Geheimen
Rat, die Aufgabe zu, letztinstanzlich Rekurse gegen Verfügungen
der Departementsminister zu entscheiden. In Kurhessen über-
trug man den Zivilgerichten die Kompetenz, Klagen der
Bürger über Eingriffe der Verwaltungsbehörden in Individual-
rechte zu beurteilen.” In den übrigen deutschen Staaten
blieb dagegen die Handhabung des Verwaltungsrechtes aus-
schließlich den Verwaltungsbehörden anvertraut. Um so leb-
2 Fleiner, Staatsrechtliche Gesetze Württemberg, S. 33. Göz,
Württembergisches Staatsrecht, S. 158. Ottmar Bühler, Die Zuständig-
keit der Zivilgerichte gegenüber der Verwaltung im Württembergischen
Recht, S. 34 ft.
3 Otto Bähr, Der Rechtsstaat, 1864, S. 135ff. Edgar Loening,
Lehrbuch des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 779.