230 $ 15. Verwaltungsgerichtsbarkeit.
richte gewährt werden könne (,Verwaltungsjustiz‘‘). Die über-
wiegende Mehrzahl der Schriftsteller wollte deshalb die Verwal-
tungsstreitsachen kurzer Hand den bestehenden Zivilgerichten zu-
weisen;® sie gingen davon aus, im Berufe des Zivilrichters
liege es, Rechtsverletzungen zu beurteilen, gleichgültig, ob
diese das Privatrecht oder das öffentliche Recht beträfen.
Nur eine kleine Minderheit verlangte die Errichtung von be-
sonderen Organen für die Ausübung der Verwaltungsjustiz.?
Einen ersten Erfolg errang die Bewegung, welche die Ver-
waltungsjustiz den ordentlichen Gerichten übertragen wollte, in
jenen Vorschriften der Verfassung des Deutschen Reichs vom
28. März 1849, welche die Beurteilung aller von den Verwal-
tungsbehörden begangenen Rechtsverletzungen und die Be-
strafung aller Verwaltungswidrigkeiten den ordentlichen Ge-
richten zuwiesen.® Ist auch dieser erste Erfolg mit der Frank-
furter Verfassung zusammengebrochen, so war doch ein zweiter
von Dauer: die Landesgesetzgebung hatte begonnen, in steigen-
dem Maße Strafmandate der Polizei- und Finanzbehörden der
Kontrolle des ordentlichen Strafrichters zu unterstellen’ undin den
Gesetzen über die ‚Erweiterung des Rechtswegs‘ die Zuständigkeit
der Zivilgerichte auf die Beurteilung von Verwaltungsstreitsachen
zu erstrecken.!° Dadurch erfuhr die Auffassung in der Literatur
eine Unterstützung, welche die Übertragung aller ‚Verwaltungs-
6 Mittermaier, Beiträge zu der Lehre von den Gegenständen des
bürgerlichen Prozesses (Archiv für zivilist. Praxis, Bd. 4, S. 105, insbes.
S. 328ff.).. Über die spätere Wandlung in Mittermaiers Anschauungen
8. Mittermaiers Aufsatz „über das Verhältnis der Justiz zu den Verwal-
tungssachen‘ (1838) ebendaselbst Bd. 21, S. 278. Thoma, Jahrbuch
des öffentl. Rechts IV 207.
? G. v. Weiler, Über Verwaltung und Justiz, 2. Ausg. 1830, S. 23ff.
8 Verfassung des Deutschen Reichs, vom 28. März 1849, $ 182. „Die
Verwaltungsrechtspflege hört auf; über alle Rechtsverletzungen entschei-
den die Gerichte. — Der Polizei steht keine Strafgerichtsbarkeit zu.“
® Für Preußen: Loening, im Verwaltungsarchiv III 133ff., insbes.
146. Goldschmidt, Verwaltungsstrafrecht S. 317 ff. Für Baden: Thoma,
Polizeibefehl I S. 189ff.
10 7. B.: Preuß. Gesetz betr. Erweiterung des Rechtsweges vom
24. Mai 1861. Das Gesetz hat u. a. Streitigkeiten zwischen der Steuer-
behörde und den Abgabepflichtigen der Beurteilung der Zivilgerichte
unterstellt.