Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

$ 15. Verwaltungsgerichtsbarkeit. 235 
verwaltungsgericht. Wohl steht der Reichsgewalt verfassungs- 
mäßig die letztinstanzliche Entscheidung von Streitigkeiten zu, 
die bei der Vollziehung von Reichsverwaltungsgesetzen entstehen. 
Die Beurteilung dieser Streitsachen hat jedoch das Reich Spezial- 
verwaltungsgerichten übertragen, deren jedes Verwaltungsrecht- 
sprechung nur für je eine abgegrenzte Materie ausübt: Bundes- 
amtfür Heimatwesen, verstärktes Reichseisenbahnamt, Patentamt, 
Reichsversicherungsamt, Reichsrayonkommission, Oberseeamt, 
Kaiserliches Aufsichtsamt für Privatversicherung, Oberschieds- 
gericht in der Versicherung für Angestellte.'? 
S. 73—75. Schultzenstein, in der Deutschen Juristenzeitung, XII 
(1907) S.146.— In Elsaß-Lothringen besteht noch das alte französische 
contentieux administratif, d. h. eine Verwaltungsrechtsprechung durch 
reine Verwaltungsbehörden (Kaiserliche Bezirksräte und Kaiserlicher 
Rat in Straßburg). E. Bruck, Das Verfassungs- und Verwaltungsrecht 
von Elsaß-Lothringen, I, 1908, S. 158{ff. Eine Reform zur Einführung 
einer unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit für das Reichsland steht 
in Aussicht. Rosenberg, Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit in 
Elsaß-Lothringen (Annalen des Deutschen Reichs, 1906, S. 8ll). Keet- 
mann, Die Trennung von Justiz und Verwaltung in Elsaß-Lothringen 
(Archiv für öffentliches Recht, XXI S. 71). Der bestehende Kaiserl. Rat 
ist kein Verwaltungsgericht im Sinne der Reichsjustizgesetze (z. B. des 
EG. 2.GV@G. 811). Urt. d. Reichsgerichts in Zivilsachen v. 1. Juli 1902 
(Reger, XXIV 186, Reichsgericht in Zivilsachen 52, S. 107). 
18 Die Bundesstaaten können die Verwaltungsstreitsachen den reichs- 
rechtlich arganisierten ordentlichen Gerichten oder besonderen Verwal- 
tungsgerichten übertragen (EG. z. GVG. $4). DaB solche Streitsachen 
durch die Zuweisung an die ordentlichen Zivilgerichte nicht etwa zu „bürger- 
lichen Rechtsstreitigkeiten‘‘ werden, wurde bereits oben $ 2S. 15 Anm. 18 
hervorgehoben. Andrerseits beginnt die Reichsgesetzgebung in stei- 
gendem Maße das landesrechtlich organisierte Verwaltungsstreitverfahren 
dem Schutze reichsrechtlicher Normen dienstbar zu machen. Vgl. z. B. BGB 
$62 (Einspruch gegen Eintragung eines Vereins); Reichsbesitzsteuer- 
gesetz v. 3. Juli 1913 $ 66 und die Zusammenstellung bei Stein, Justiz 
u. Verwaltung 8. 16ff. 
1% In der Organisation und den Kompetenzen unterscheiden sich 
diese Reichsverwaltungsgerichte erlıeblich voneinander und von den 
Landesverwaltungsgerichten. So bilden die einen dieser Behörden (z. B. 
Bundesamt für Heimatwesen, Reichsversicherungsamt) die letzte richter- 
liche Instanz über den in der Materie zuständigen Verwaltungsbehörden 
und richterlichen Organen in den Gliedstaaten. Andre dagegen (z. PR. 
Patentamt, Kaiserliches Aufsichtsamt für Privatversicherung, Verstärktes 
Reichseisenbahnamt) sind berufen zur Ausübung einer Rechtskontrolle über
	        
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