$ 15. Verwaltungsgerichtsbarkeit. 257
oder aber diese der Verwaltungsbehörde zu überlassen hat, an
die es die Angelegenheit zurückweist.”®
Kann das von einem Verwaltungsgerichte gefällte Urteil mit
keinem Rechtsmittel mehr angefochten werden, so ist es formell
rechtskräftig geworden in dem oben S. 185 erläuterten Sinn;
seiner Vollstreckung steht kein Hindernis mehr im Wege. Die
herrschende Lehre behauptet aber, darüber hinaus erlangten
die Urteile der Verwaltungsgerichte materielle Rechtskraft
in gleicher Weise, wie die der Zivilgerichte.°" Bei der Beant-
wortung dieser Frage muß man sich vor Augen halten, daß die
—— —
°® Dies gilt bei der Aufhebung polizeilicher Verfügungen in Preußen
(Kamptz, Rechtsprechung des Preuß. OVG. IV S. 1342). Allgemein
hat der Braunschw. Verw.-Ger.-H. so zu verfahren (Braunschw. Ver-
waltungsrechtspflegegesetz $ 32). Dasselbe gilt für den österreichischen
Verwaltungsgerichtshof. (Österreichisches Gesetz, betr. d. Verwaltungs-
gerichtshof v. 1875 87. Bernatzik, Rechtsprechung und materielle
Rechtskraft, 1886, S. 149 ff.) Nach dem Staatsvertrag betr. Thüring. Ober-
verwaltungsgericht Art. 39 weist das Oberverwaltungsgericht nach Auf-
hebung einer angefochtenen Entscheidung die Sache an die Vorinstanz
zurück: „Das Öberverwaltungsgericht kann in der Sache selbst ent-
scheiden, wenn sie spruchreif ist.‘
80 Eine umfassende Orientierung und Verteidigung der herrschenden
Lehre gibt E. Loening, Die Rechtskraft verwaltungsgerichtlicher Urteile
(Verwaltungsarchiv VII S. 1ff. Bernatzik, Rechtsprechung und ma-
terielle Rechtskraft, 1886. Verhandlungen des XXVI. Deutschen Juristen-
tags, 1902, Bd. I, S. 86 (Schultzenstein), Bd. II, S. 32 (Bernatzik),
Bad. III, S. 377 (Diskussion). Wolfgang Müller, Rechtskraft im Ver-
waltungsstreitverfahren, 1910. Reger- Dyroff, Bayr. Verwaltungs-
gerichtsgesetz, S. 489ff. — Gegen die herrschende Lehre, jedoch mit
Begründungen, die erheblich voneinander abweichen, vor allem die grund-
legenden Erörterungen von Rosin, Recht der Arbeiterversicherung,
1 (1893) S. 779, ferner Otto Mayer, Zur Lehre von der materiellen Rechts-
kraft in Verwaltungssachen (Archiv f. öffentl. Recht XXI S. lff.) und
dazu die Kritik von Schultzenstein im Verwaltungsarchiv XV S. 141.
Tezner, Das Rechtskraftproblem im Verwaltungsrecht (Verwaltungs-
archiv XIX, XX). Apelt, Sächs. VerwRPflG. S. 196. Für gänzlich un-
anwendbar auf das Verwaltungsstreitverfahren hält die zivilprozessualen
Grundsätze von der Rechtskraft Zorn, im Verwaltungsarchiv II, S.121ff.
Über die Judikatur des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs: Ber-
natzik, Rechtsprechung und materielle Rechtskraft S. 149ff. Emil
Herzog, Rechtsmittelverfahren und Rechtskraft der Entscheidungen
in Steuer- und Gebührensachen, 1909, S. 13lff. v. Laun, Zur Lehre
von der materiellen Rechtskraft (Österreich. Zeitschrift f. öffentl. und
private Versicherung, 1911). Aus der Literatur des Zivilprozesses sind
Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts. 3. Aufl. 17