$ 2. Trennung der Geowalten. 15
Wirkungskreis der ordentlichen Gerichte, insbesondere der Zivil-
gerichte. Die Zivilprozeßordnung enthält die Regeln, nach denen
die ordentlichen Gerichte bei der Beurteilung bürgerlicher Rechts-
streitigkeiten zu verfahren haben. Gehört nach Reichs- oder
Landesrecht eine Streitsache vor die ordentlichen Gerichte und
ist sie dort nach den Regeln des Zivilprozesses zu verhandeln, so
sagt das Reichsrecht, sie sei auf den ‚Rechtsweg‘ gewiesen.!”
„Rechtsweg“ bezeichnet daher den Gegensatz zum ‚„Verwaltungs-
weg‘, d. h. zum Verfahren vor den Verwaltungsbehörden.
Den ordentlichen Gerichten kann jedoch mehr übertragen
sein, als Zivil- und Strafrechtssprechung. Nach der oben (S. 11)
angeführten reichsrechtlichen Vorschrift (Einführungsgesetz zum
Gerichtsverfassungsgesetz $ 4) ist die Landesgesetzgebung, wie
übrigens auch die Reichsgesetzgebung, nicht gehindert, den ordent-
lichen Gerichten jede andere Art der Gerichtsbarkeit zuzuweisen.
Vermöge dieser Ermächtigung haben die Landesgesetze den
Zivilgerichten die Entscheidung zahlreicher Streitsachen öffent-
lichrechtlicher Natur (Steuerstreitigkeiten, Wegestreitigkeiten
usw.) übertragen und dergestalt eine ‚Erweiterung des Rechts-
wegs“‘ vorgenommen.'? Sodann sind die Gerichte berufen worden,
17 Otto Stölzel, Rechtsweg und Kompetenzkonflikt in Preußen,
1901, S. 1ff. — Das Wort ‚Recht‘ in der Formel „Rechtsweg‘‘ bedeutet
nicht etwa jus, sondern judicium, Gericht, Gerichtsverfahren. Rechts-
weg ist somit der Weg, der zu den ordentlichen Gerichten führt.
18 Beispiele: Das Preußische Gesetz betr. Erweiterung des Rechtswegs,
vom 24. Mai 1861, weist in den Rechtsweg Ansprüche der Staatsbeamten
wegen ihrer Diensteinkünfte, Rückforderung von öffentlichen Abgaben,
Streitigkeiten in Beziehung auf Kirchen-, Pfarr- und Schulabgaben.
Ferner weist das Reichsstempelgesetz (Fassung vom 3. Juli 1913) $ 110
Streitigkeiten über Stempelabgaben auf den Rechtsweg bis vor das
Reichsgericht. Vgl. auch Reichszuwachssteuergesetz v. 14. Februar 1911,
$ 44 (Rechtsmittel: Verwaltungsstreitverfahren oder Rechtsweg). Durch
diese Zuweisung an die Zivilgerichte werden aber derartige Streitigkeiten
über Verhältnisse des öffentlichen Rechts nicht etwa zu „bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten‘“ (auch nicht im formellen Sinn) weder für die
Landgerichte, noch für das Reichsgericht. Sie bleiben öffentlich-rechtliche
Streitsachen. Hartmann, Zum Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeit
(DJZ XV 1259) und die Erörterungen desselben Verfassers in der DJZ
XVI 1489 und XVIII 691. Hartmann. Zum $ 13 des Gerichtsverfassungs-
gesetzes (Arch. f. zivilist. Praxis Bd. 109 [1912] S. 144). Andrer Ansicht
sind das Reichsgericht (vgl. z. B. Entscheidungen in Zivilsachen Bd. 77,