276 $ 17. Öffentlichrechtliche Entschädigung.
gilt in gleicher Weise für jeden Verband (Gemeinde usf.), der
obrigkeitliche Gewalt handhabt. Das Privatrecht ist unanwend-
bar. Denn dem rechtgemäß auftretenden Staat gegenüber ver-
sagen die Vorschriften über unerlaubte Handlungen. Die Antwort
kann allein aus Grundsätzen des öffentlichen Rechts abgeleitet
werden.®° Man darf sich an der Richtigkeit dieses Satzes nicht
durch die Tatsache irremachen lassen, daß in Deutschland auch
nach der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Kom-
petenz zur Beurteilung derartiger Schadenersatzklagen den Zivil-
gerichten verblieben ist.
l. Soweit ein Gesetz selbst unmittelbar Eingriffe in das
Privatvermögen verfügt hat, schuldet der Staat dem Geschädigten
Ersatz nur, sofern ein solcher vom Gesetz ausdrücklich zu-
gebilligt worden ist.’ Denn gegen den eine Entschädigung ver-
weigernden Willen des Gesetzgebers ist der Bürger ohnmächtig.'°
8 Das EG. z. BGB., Art. 106ff., hat infolgedessen die Regelung der
Materie der Landesgesetzgebung überlassen, soweit das Reich nicht selbst
für die reichsrechtlichen Materien eine spezielle Normierung getroffen hat.
® Das ist erst in der neueren Zeit zu allgemeiner Anerkennung ge-
langt. Ein Urteil des Reichsgerichts in Zivilsachen v. 13. Januar 1853
(Entscheidungen Bd. 12, S. 3) hat noch als gemeine Auffassung be-
zeichnet, daß ‚im Falle der Aufhebung eines wohlerworbenen Rechts
durch die Gesetzgebung ohne weiteres ein privatrechtlicher Anspruch
gegen den Staat auf volle Entschädigung stattfindet, soweit nicht ein
solcher Anspruch durch die Gesetzgebung besonders ausgeschlossen
worden ist.“ In der Folge sind dem Reichsgericht Bedenken gekommen
(Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 61, S. 11), so daß es sich in der neuern
Zeit (Urteil v. 16. Oktober 1906) beiläufig dahin ausgesprochen hat,
„nur wenn ein solches Gesetz selbst eine Entschädigung anordnet, kann
deshalb eine solche beansprucht werden‘. (Reichsgericht in Zivilsachen
Bd. 64, S. 185). Dieser Auffassung gemäß hat das Reichsgericht in den
Urteilen v. 12. März 1912 u. 26. Juni 1912 den infolge des preuß. Ge-
setzes betr. Verbesserung der Oder v. 6. Juni 1888 geschädigten Fluß-
anliegern (Steigen des Grundwassers, Versanden eines Oderarms u. dgl.)
Entschädigung versagt (Reichsgericht in Civilsachen Bd. 79, S. 64 u.
Gruchots Beiträge Bd. 56, S. 1115). Entscheidungen des Schweiz. Bundes-
gerichts Bd. 36 (1910), Teil 2, S. 308. Für eine allgemeine Entschädi-
gungspflicht: Gierke, Deutsches Privatrecht I S. 195.
10 Anders verhält es sich in der Schweiz. Dort findet der Gesetzgeber
eine Schranke an bestimmten, in der Bundesverfassung und den Kantons-
verfassungen garantierten subjektiven Rechten (,verfassungsmäßige
Rechte der Bürger‘), und das Schweizerische Bundesgericht hat die Auf-