$ 17. Öffentlichrechtliche Entschädigung. 279
die Handlungen, die der Staat als Eigentümer einer Liegenschaft
vornimmt (vgl. unten $ 20). Die folgende Betrachtung hat
sich allein mit hoheitlichen Akten des Staates oder der mit
staatlicher Herrschaft ausgestatteten Verbände zu beschäftigen.
Sie hat auszugehen von dem Satze, daß der Staat nach öffent-
lichem Rechte befugt ist, dem Privaten Rechte zu entziehen und
sie sich selbst anzueignen, sobald das öffentliche Interesse dies
verlangt. Aber der Staat ist verpflichtet, dem Geschädigten dafür
vollen Ersatz in Geld zu leisten. Weil dieser Anspruch einem
öffentlichrechtlichen Verhältnis entspringt, so ist er öffentlich-
rechtlicher Natur.'* Die Verfassungsurkunden haben diesen
Rechtsgrundsatz ausdrücklich festgestellt in der vielangeführten
Eigentumsgarantie. Auf Grund dieser haben die Staaten Ex-
propriationsgesetze erlassen, in denen sie die Voraussetzungen und
Formen bestimmen, unter denen der Staat für ein bestimmtes in
Aussicht genommenes öffentliches Unternehmen dingliche Rechte
zwangsweise enteignen darf. Dem Gedanken, der in der Eigen-
tumsgarantie steckt, kommt jedoch allgemeinere Bedeutung zu.
Er ist nicht beschränkt auf die Fälle, für die in den Expropriations-
gesetzen das besondere Expropriationsverfahren vorgesehen ist.
Er muß darüber hinaus zur Anwendung gebracht werden überall
dort, wo der Staat mit Hilfe seiner Befehlsgewalt ein dem Bürger
13 Bayr. Gerichtshof f. Kompetenzkonflikte v. 17. Dezember 1881
(Sammlung der Entscheidungen des Bayr. Gerichtshofs f. Kompetenz-
konflikte, Bd. IS. 32). Anschütz, Verwaltungsarchiv V S. 95.
14 Eine Rechtfertigung der Ansicht, der Entschädigungsanspruch trage
zivilrechtliches Gepräge, unternimmt neuerdings James Goldschmidt,
Rechtsgrund und Rechtenatur der staatl. Entschädigungspflicht 8. 146
(Festgabe der Berliner jurist. Fakultät f. Gierke, 1910, Bd. III). Über die
Streitfrage im allgemeinen: W. Schelcher, Sächs. Enteignungsgesetz
S. 3lff. — Trotz ihrer öffentlichrechtlichen Natur sind derartige Ent-
schädigungsansprüche in den meisten deutschen Staaten der Beurteilung
der Zivilgerichte unterstellt geblieben. Stölzel, Rechtsweg und Kom-
petenzkonflikt S. 5lff., 219ff. Im Königreich Sachsen kann der Ver-
letzte solche Entschädigungsforderungen vor den Verwaltungsbehörden
geltend machen; deren Entscheidungen können sodann mit der An-
fechtungsklage der Beurteilung des Oberverwaltungsgerichts unterbreitet:
werden. Säche. OVG. 7. Januar 1911 (Jahrbücher XVI 8. 292). Über
die Verjährung des Anspruchs: Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 78,
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