$ 17. Öffentlichrechtliche Entschädigung. 285
heitsrecht aus, was bloß eine alte Forderung der Billigkeit ist.
Einen solchen Rechtssatz darf der Richter aber auch nicht aus
seinem Rechtsgefühl frei heraus entwickeln. Das wäre ihm höch-
stens erlaubt, wenn sich das, was er für gerecht hält, zu einer
allgemeinen Rechtsüberzeugung verdichtet hätte. Dafür fehlen
aber die Voraussetzungen. Wir wissen, daß die staatlichen Akte
und Einrichtungen für die Einzelnen in ungleichem Maße Vorteile
und Nachteile erzeugen, und es gilt uns als selbstverständlich,
daß der Begünstigte dem Staate eine Vorteilsausgleichung nur
kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung schuldet; das Gesetz
aber trifft eine solche Vorschrift nur für die Fälle, in denen nach
seiner Auffassung der durch die öffentliche Tätigkeit dem Ein-
zelnen zugewandte individuelle Vorteil das übersteigt, worauf
jeder Einwohner einen unentgeltlichen Anspruch besitzt. Ebenso
verhält es sich aber mit den Schädigungen. Die Anschauung
darüber, ob eine bei rechtmäßiger Ausübung der öffentlichen
Gewalt zugefügte Vermögensbeschädigung, die nicht durch die
staatliche Aneignung eines Privatrechts verursacht worden ist,
als ein von der allgemeinen Untertanenpflicht gefordertes Opfer
vom Bürger stillschweigend getragen werden muß, hängt von der
Stärke des Gemeinsinns der Einzelnen und von der Bedeutung ab,
die man dem individuellen Vorteil beimißt, der durch den staat-
lichen Eingriff geschmälert worden ist. Eine solche Anschauung
hat sich stets nur im Hinblick auf einen konkreten Eingriff
entwickeln und daher nicht zu einem allgemeinen Gewohn-
heitsrecht ausweiten können, das für eine unübersehbare Zahl
voneinander abweichender Fälle Geltung beansprucht. Da bei
derartigen Vorgängen kein Rechtsübergang auf den Staat statt-
findet, so fehlt endlich auch die Voraussetzung für eine analoge
Anwendung der Expropriationsgrundsätze.
Aus diesen Erörterungen folgt, daß Entschädigung nur ge-
schuldet wird, wenn ein Rechtssatz eine solche zuspricht.?®
In erster Linie hat man daher zu ergründen, ob eine aus-
drückliche gesetzliche Vorschrift vorhanden ist, welche die
28 Gegen die staatliche Entschädigungspflicht hat sich u. a. ein
Erkenntnis der Jenenser Juristenfakultät v. 14. Juni 1879 mit eingehender
Begründung ausgesprochen. Seuffert, Archiv f. d. Entscheidungen der
obersten Gerichtshöfe, Bd. 37, S. 312.