$ 2. Trennung der Gewalten. 23
durch praktische Erwägungen gerechtfertigt. Der für die Haupt-
sache zuständigen Behörde die Kompetenz zur Würdigung
der Vorfragen entziehen, hieße, zu Gunsten des theoretischen
Postulats der Gewaltentrennung ein einheitliches Streitverhältnis
zerteißen und die Entscheidung der Hauptsache hinausschieben.
Doch die Regel wird durch zahlreiche Ausnahmen durch-
brochen. Zivil- und Strafrichter, wie Verwaltungsbehörden und
Verwaltungsgerichte besitzen die Möglichkeit, die Erledigung der
ihnen unterbreiteten Hauptfrage auszusetzen, bis die Vorfragen
von den Behörden beurteilt sind, denen die Befugnis zu rechts-
kräftiger Entscheidung der betreffenden Rechtsverhältnisse zu-
steht.” Überdies hat in zahlreichen Fällen das Gesetz den Ge-
keit der ;Verwaltung von der Justiz wird für einen andern Fall ge-
schützt in dem Urteil des Württembergischen Verwaltungsgerichtshofs
v. 17. Januar 1912 (Reger XXXII 201).
38 ZPO.$ 148: „Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechte-
streits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines
Rechtsverhältnisses abhängt, welches den Gegenstand eines anderen an-
hängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde fest-
zustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen
Rechtsstreite oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde aus-
zusetzen sei.‘ Gaupp- Stein, Zivilprozeßordnung I Bemerk. Il zu $ 148.
Beispiel: Der Private verlangt im Zivilprozeß von der Stadtgemeinde
den vollen Betrag eines Sparkassenbuchs heraus, welches er ihr als Sicher-
heit bestellt hatte. Die Stadtgemeinde will dagegen den Betrag der vom
Kläger nach ihrer Behauptung geschuldeten Grundsteuer aufrechnen.
In einem solchen Fall kann das Gericht aussetzen, bis durch die zu-
ständigen Steuerbehörden über den bestrittenen Grundsteueranspruch er-
kannt worden ist. Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 77, S. 411. — StPO
$ 261: „Hängt die Strafbarkeit einer Handlung von der Beurteilung eines
bürgerlichen Rechtsverhältnisses ab, go entscheidet das Strafgericht auch
über dieses nach den für das Verfahren und den Beweis in Strafsachen
geltenden Vorschriften. Das Gericht ist jedoch befugt, die Untersuchung
auszusetzen und einem der Beteiligten zur Erhebung der Zivilklage eine
Frist zu bestimmen oder das Urteil des Zivilgerichts abzuwarten.“ —
Die Vorschrift StPO $ 261 ist auch auf die Beurteilung von Vorfragen
öffentlichrechtlicher Natur analog anzuwenden. E. Löwe, Strafprozeß-
ordnung (Kommentar), 10. Aufl. 1900, Bemerk. 9 zu $ 261. — Allgemein
schreibt dies das sog. A.-Gesetz für das Königreich Sachsen, über Kom-
petenzverhältnisse zwischen Justiz- und Verwaltungsbehörden, vom 28. Jan.
1835, $ 14 vor: „Kommen in einem Falle Punkte vor, welche zur Justiz
und andere, welche zur Verwaltung gehören, so hat über jene die Justiz-
behörde, über diese die Verwaltungsbehörde zu entscheiden ...“