312 $ 22. Sachen im Gemeingebrauch.
Gegenwart die Pflicht, die durch den öffentlichen Verkehr ge-
forderten Wege herzustellen, in erster Linie auf dem Staat oder
anderen Korporationen des öffentlichen Rechts (Gemeinden,
öffentlichrechtlichen Verbänden); der Private bedarf zur An-
legung eines öffentlichen Weges einer von der öffentlichen Behörde
erteilten Konzession (oben $ 19).
„Öffentlichkeit“ im Rechtssinne kann ein Weg nur dadurch
erlangen, daß die zuständigen öffentlichen Organe ihn dem öffent-
lichen Verkehre widmen,? und andrerseits verliert ein Weg den
Charakter der Öffentlichkeit nur durch die von den zuständigen
Organen verfügte Einziehung (Kassierung), d. h. die Aufhebung
des Gemeingebrauchs. Daß das Publikum einen Weg als Ver-
kehrsweg tatsächlich benutzt, stempelt ihn noch nicht zu einem
öffentlichen Weg; ebensowenig verliert ein von der Behörde dem
Gemeingebrauche gewidmeter Weg diese Eigenschaft, wenn der
Verkehr sich von ihm abwendet.* Da die Öffentlichkeit aus-
schließlich auf einem öffentlichrechtlichen Akte, der Widmung,
beruht, so kann ferner der öffentliche Weg durch keinen privat-
rechtlichen Akt seiner Aufgabe entzogen werden (also z. B. nicht
durch die rei vindicatio des Eigentümers des Wegeareals).° Auf der
andern Seite darf aber, gemäß dem Grundsatz der gesetzmäßigen
Verwaltung, die Verwaltungsbehörde kein privates Grundeigentum
zu einem öffentlichen Weg ziehen, über das sie nicht die privatrecht-
liche Verfügungsgewalt (Eigentum oder ein anderes dingliches
Recht) erworben hat. Einzelne Gesetze, z. B. das bayrische und
das rheinisch-französische Recht, halten sogar eine Widmung
nur für rechtsgültig, wenn die widmende Behörde auch die
privatrechtliche Verfügungsmacht über das Wegeareal besitzt.‘
In keinem Staate aber braucht diese Verfügungsmacht auf zivil-
rechtlichem Eigentum an dem Wegeareal zu beruhen. Es kann
3 Preuß. OVG. v. 3. Febr. 1891 (Entsch. Bd. 20. S. 215). S. ferner
DJIZ. XVI 222, 1222, 1561. Preuß. Verw.-Bl. XXXIII 598. Kgl. Sächs.
OVYG. v. 6. Juli 1907 (Jahrb. XI S. 104); v. 30. November 1911 betr. still-
schweigende Widmung (Jahrbuch XVI 302).
* Soergel, I S. 609, Nr. 12.
5 Schultzenstein, Hypothek und Wegerecht (DJZ. XVI 1523).
6 Bayr. VGH. v. 11. Juni 1897, 8. Febr. 1901 (Samml. v. Entsch.
des bayr. VGH. XVII S. 325, XXII S. 85). Soergel, I S. 96, Nr. 11;
S. 474; II S. 109. Germershausen, Wegerecht in Preußen, IS. 11.