$ 22. Sachen im Gemeingebrauch. 333
über den bestimmungsgemäßen Gebrauch der öffentlichen Sache
hinausgehen, die aber doch eine gesteigerte Form der
Benutzung darstellen: das Aufstellen von Baugerüsten und
Marktbuden auf öffentlichen Straßen und Plätzen; die Be-
nutzung der öffentlichen Straße für den Transport unge-
wöhnlich schwerer Gegenstände*®-; das Anbringen von Schau-
kästen und Erkern, die in den Luftraum der öffentlichen Straße
hineinragen;*’ das Einleiten von Fabrikabwässern in einen
öffentlichen Fluß; das Entnehmen von Kies aus einem öffent-
lichen Fluß u.a.m. Man darf in solchen Fällen von einem
gesteigerten Gemeingebrauch reden. Eine solche erhöhte
Ausnutzung der öffentlichen Sache zu individuellen Zwecken
ist jedoch nur möglich auf Grund einer polizeilichen Bewilligung.“
Die Polizei darf im Allgemeinen die Erlaubnis nicht versagen,
12» Kgl. Sächs. OVG. 25. Februar 1911 (Jahrbücher XVII 4).
#3 S.auch oben 8.350. Die Gemeinde darf daher z.B. dort, wo ihr keine
Ortspolizei übertragen ist, nicht unter Berufung auf ihr Eigentum am Wege-
areal das Anbringen von polizeilich erlaubten Erkern verbieten, mit der Be-
gründung, eine solcheArt derBenutzung übersteige den von derEigentümerin
zu duldenden Gemeingebrauch. Walz, Badisches Ortsstraßenrecht S. 124.
Baltz, Preußisches Baupolizeirecht S. 295. Germershausen, Wege-
recht IS. 142. Kgl. Sächs. OVG. 8. Juni 1904 (Jahrbücher VS. 326); Soergel,
I S. 52, Nr. 912; S. 610, Nr. 15; Reichsgericht in Zivils. Bd. 30, S. 246.
Ein solches Verbietungsrecht geben dagegen der Eigentümerin des Straßen-
areals die bei Soergel, II S. 32, Nr. 903, erwähnten Urteile. 8. ferner
Badischer Verw.-GH. 24. Oktober 1911: Der Wegeigentümer muß um
Erlaubnis angegangen werden, wenn Starkstromleitungen über öffentliche
Wege hin angelegt werden sollen. (Bad. Zeitschr. für Verwaltung 1912,
S. 28). Vgl. auch unten $ 26 (Gebühr).
4 Besonders klar durchgeführt im Sächs. Wassergesetz $ 23, Dieses
Gesetz ermöglicht eine besondere Benutzung der öffentlichen Gewässer
über den Gemeingebrauch hinaus auf Grund einer einfachen Polizei-
erlaubnis (nur die Errichtung von Fähren an „Regalflüssen‘‘ bedarf be-
sonderer Verleihung; Wassergesetz $25) Schelcher, Sächs. Wasserge-
setz Bd. 11, S. 82ff. Vgl. ferner Walz, Badisches Staatsrecht, S. 346.
Preuß. Wassergesetz $$ 19—23. Badisches Wassergesetz $ 16. — Die
Grenze zwischen gesteigertem Gemeingebrauch und der Sondernutzung ist
schwankend und flüssig. Auch verschiebt sie sich von Staat zu Staat.
So ist für die Errichtung einer Fähre in Württemberg lediglich eine
Polizeierlaubnis nötig (gesteigerter Gemeingebrauch), im Königreich Sachsen
dagegen eine echte Konzession (Sondernutzungsrecht). Reichsgericht in
Zivilsachen Bd. 64, 8. 137.
Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts. 3. Aufl. 23