Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

$ 23. Polizeigewalt. 365 
Überschreitung ihres angestammten Bereiches zum Zwecke der 
Verwirklichung wohlfahrtspolizeilicher Zwecke ist der Polizei stets 
nur auf Grund eines besonderen Auftrages des Gesetzgebers 
erlaubt.!*@ Ein solcher ist enthalten z. B. in den Gesetzen, die 
sich gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich 
hervorragenden Gegenden richten ;!” in den Gesetzen zum Schutze 
um den freien Ausblick auf ein Denkmal aufrecht zu erhalten: Entsch. 
des preuß. OVG. Bd.9, S. 353 (Kreuzbergdenkmal in Berlin). — Vgl. ferner 
Baltz, Preuß. Baupolizeirecht, S. 3 und 96. Soergel, I S. 414, Nr. 116. 
Bernatzik, in der Kultur der Gegenwart, Bd. II, Abt. 8, S. 387. Un- 
gültig ist (Preuß. OVG. 5. Dezember 1910) eine Polizeiverfügung, welche 
jeden kreditweisen Branntweinverkauf verbietet (Spruchsammlung 1911 
der DJZ. S. 159). Ungültig ist eine ortspolizeiliche Vorschrift, welche 
das Verkaufen von Speiseeis an Kinder unter 14 Jahren allgemein unter- 
sagt (OLG Karlsruhe 1. Sept. 1910, Bad. Rechtspraxis 1910, S. 258). Da- 
gegen haben die Gerichte Polizeiverordnungen geschützt, denen zufolge 
Kinder unter einer bestimmten Altersgrenze, auch wenn sie in Begleitung 
Erwachsener sind, nach einer bestimmten Abendstunde in Kinemato- 
graphontheatern nicht mehr geduldet werden dürfen (Johow, Jahrbuch 
Ba. 41, 8. 385; Reger XXXII 391, 578; Soergel V 417; Badische 
Rechtspraxis 1913, S. 14; Reger XXXIII 355). 
16. Wenn die Polizei ermächtigt ist, der Baufreiheit die im sanitären 
Interesse liegenden Beschränkungen aufzuerlegen, so darf sie gewerbliche 
Betriebe aus einem bestimmten Wohnbezirke verbannen, aber sie ist nicht 
befugt, darüber hinaus anzuordnen, es dürften dort nur Wohnhäuser 
errichtet werden. Einer solchen Polizeiverordnung fehlt das „polizeiliche 
Motiv“. Preuß. OVG. 2. Juli 1900, 5. Juli 1912 (Entscheidungen Bd. 37, 
S. 401; Preuß. Verw.-Bl. XXXIV 600). . 
17 Vgl.z.B. Preußisches Gesetz gegen die Verunstaltung landschaftlich 
hervorragender Gegenden, vom 2. Juni 1902 und Preuß. Gesetz gegen die Ver- 
unstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden, 
vom 15. Juli 1907 (vgl. darüber OÖ. Loening im Preuß. Verw.-Bl.XXXIII 
6538). Badisches Polizeistrafgesetzbuch $ 130 = Novelle zum bad. Polizeistraf- 
gesetzbuch v. 20. Aug. 1904. (Schlusser, Bad. Polizeistrafrecht, S. 331.) 
Württemberg. Bauordnung v. 1910 Art. 98. Emerich, Schutz d. Ortse- 
bildes, 1911. Bredt, Die Heimatschutzgesetzgebung der deutschen 
Bundesstaaten 1912. Heyer, Denkmalspflege u. Heimatschutz im Deut- 
schen Reich, 1912. C. J. Fuchs, im Handbuch d. Politik II S. 607). 
— Vgl. auch den Vorbehalt zu Gunsten des kantonalen Rechts im Sch weiz. 
Zivilgesetzbuch, Art. 702 (und dazu die Bemerkungen in dem Kommentar 
von C. Wieland). Ferner Carl Wieland, Der Denkmal- und Heimat- 
schutz in der Gesetzgebung der Gegenwart, Basler Universitätspro- 
gramm 1905. Giesker-Zeller, Der rechtl. Heimatschutz in der Schweiz, 
1910 (Zürcher Beiträge zur Rechtswissenschaft, Heft 29).
	        
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