Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

$ 23. Polizeigewalt. 367 
Grundsätzen des Rechtsstaates (oben $ 8), der gesetzlichen 
Grundlage. Diese ist in den meisten deutschen Staaten zunächst 
durch die Aufstellung eines allgemein gehaltenen Grundsatzes 
geschaffen worden, der in großen Zügen die Richtlinien der polizei- 
lichen Tätigkeit vorgezeichnet hat; man vergleiche z. B. die oben 
angeführte Formel des Allgemeinen Preußischen Landrechts 
vom Jahr 1794. Allein gemäß den Forderungen des Rechts- 
staates hat..die- Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts die polizei- 
lichen Pflichten immer mehr spezialisiert und das Geltungsgebiet 
der allgemeinen Ermächtigungsklauseln verengert.”” Durch die 
22 Soweit die polizeilichen Pflichten, die der Einzelne mit Bezug auf 
ein bestimmtes Verhältnis zu erfüllen hat, durch Spezialgesetz normiert 
sind, darf die Polizei neben ihnen nicht noch, unter Berufung auf die all- 
gemeine Ermächtigungsklausel, neue weitere Pflichten auferlegen. Beispiel: 
das Reichsvereinsgesetz v. 19. April 1908 hat in $ 3 aufgezählt, über welche 
Interna der Vorstand eines politischen Vereins der Polizeibehörde Auf- 
schluß schuldet. Daher ist das polizeiliche, auf die allgemeine polizeiliche 
Ermächtigungsklausel gestützte Begehren rechtswidrig, das über die vom 
Vereinsgesetz genannten Punkte hinaus noch weitergehende Auskünfte ver- 
langt. Lindenberg, Bemerk. zu $ 3 des Reichsvereinsgesetzes (Stengleins 
Kommentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzen des Deutschen Reichs, 
S. 19). Stier-Somlo, Reichsvereinsgesetz, S. 94. Unrichtig Preuß. OVG. 
v. 24. Mai 1910 (mitgeteilt von Schultzenstein in der DJZ. XV 
954; im selben Sinn schon früher Preuß. OVG. v. 26. Jan. 1903 
(Reger XXIV 8. 11); vgl. auch Entscheidungen d. Preuß. OVG. Bd. 58, 
S. 288 (polizeil. Überwachung einer nicht unter das Reichsvereinsgesetz 
$ 13 fallenden Versammlung gestützt auf die allg. Ermächtigungsklausel 
des Landesrechts). Richtige Anwendung des Prinzips Kgl. Sächs. OVG. 
v. 21. Januar 1905 (Reger XXVI S. 313). — Wenn das Gesetz die poli- 
zeilichen Pflichten des Eigentümers eines Grundstücks spezialisiert hat 
(vgl. z. B. auch Reichsstrafgesetzbuch $ 367, Ziff. 13), so gibt es da- 
neben keine allgemeine Pflicht mehr zur Erhaltung des Eigentums in 
polizeigemäßem Zustand. Göz, Verwaltungsrechtspflege in Württemberg, 
S.363ff. Thoma,Polizeibefehl IS. 50,51. A.Schade, Eigentum und Polizei 
(Archiv für öffentl. Recht XXV [1909] S. 266ff.).. Andrer Ansicht ist die 
preußische Praxis. Stier-Somlo, Die Pflicht des Eigentümers zur Erhal- 
tung seines Eigentums in polizeigemäßem Zustand (Verwaltungsarchiv VI 
S.275) und „Verwaltung und Eigentum“ (Verwaltungsarchiv XVIIIS. 140; 
XIX 43). — Von derselben Auffassung geht ein Urt. d. OLG. Hamburg 
v. 1. Oktober 1908 aus: die Polizeibehörde sei befugt, einem syphilisver- 
dächtigen Manne, der außerehelichen Geschlechtsverkehr gepflogen hat, 
aufzuerlegen, sich ärztlich untersuchen und behandeln zulassen. Die Seuchen- 
gesetzgebung des Reichs und die Hamburgs hat die sanitaren Pflichten
	        
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