Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

32 83. Geschichtliche Entwicklung des deutschen Verwaltungsrechts,. 
Rechtsschutz.® In den Reichsgerichten — dem im Jahre 1495 
errichteten Reichskammergericht und dem Reichshofrat — wur- 
den Gerichtsinstanzen geschaffen, vor denen auch der Fürst 
Recht zu nehmen hatte. Der Untertan wurde dadurch in den 
Stand gesetzt, den Fürsten, der ihn bei der Ausübung eines 
Hoheitsrechtes gekränkt hatte, vor den Reichsgerichten zu 
verklagen.* Auf diese Weise übte insbesondere das Reichs- 
kammergericht eine Kontrolle über die Verwaltungstätigkeit in 
den Territorien aus. Es nahm Aufgaben wahr, die heute der 
Verwaltungsgerichtsbarkeit übertragen sind. 
2. Der aufkeimende Polizeistaat war eben daran, alle die 
erwähnten landesherrlichen Einzelrechte zu einer einheitlichen 
Staatsgewalt zusammenzuschweißen, als die Reformation den 
Landesherren in dem jus reformandi auch formell die Gewalt 
über die religiöse Seite des Volkslebens und damit die Verant- 
wortlichkeit für das Seelenheil der Untertanen zubrachte. Die 
Sorge für den wahren Glauben wurde das oberste und höchste 
Anliegen der irdischen staatlichen Gewalt. Eine ungeheure 
Machterweiterung, welche die bestehenden Schranken der landes- 
herrlichen Kompetenzen niederlegte und die fürstliche Macht 
in eine absolutistische Staatsgewalt verwandelte! Mit dem Zu- 
sammenbruch der alten Kirche waren in den evangelischen 
Territorien dem Staate Lebensgebiete erschlossen worden, die 
— 
3 Vgl. zum Folgenden: Johann Jacob Moser, Von der Teutschen 
Justiz-Verfassung, 1774. Günther Heinrich von Berg, Handbuch des 
Teutschen Policeyrechts, 2. Aufl., I (1802) S. 152, 154—156 und die dort 
zitierte ältere Literatur. Hermann Schulze, Lehrbuch des Deutschen 
Staatsrechts, I (1881) S. 635ff. Edgar Löning, Lehrbuch des Deutschen 
Verwaltungsrechts, 1884, 8. 771ff. Tezner, Die deutschen Theorien deı 
Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsarchiv VIII S. 228ff.). Richard 
Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte, 5. Aufl., 1907, S. 848ff., 869. 
Rudolf Smend, Das Reichskammergericht, I (1911) S. 5lff. 
* In den Territorien der Fürsten, die das Recht auf „Austräge“ 
hatten, mußte der Untertan den Fürsten zuerst vor den „Austrägen“ 
(Schiedsgericht) belangen. Wurde der Streit vor dieser Instanz im Terri- 
torium endgültig ‚„ausgetragen‘‘, so unterblieb die Berufung an die Reichs- 
gerichte. Pütter, Anleitung zum Teutschen Staatsrecht, aus dem La- 
teinischen übersetzt von C. A. v. Hohenthal. I2 (1792) S. 147. Schröder, 
Deutsche Rechtsgeschichte 8. 564. R. Smend, Reichskammergericht, I 
Ss. 5ifl.
	        
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