$ 3. Geschichtliche Entwicklung des deutschen Verwaltungsrechts. 4]
heitlichen Staatsgewalt war für den Dualismus von Staat und
Fiskus kein Raum mehr, und das neue Staatsrecht lehrte, daß der
Fiskus keine vom Staate verschiedene Persönlichkeit, sondern
nur die eine, vermögensrechtliche Seite des Staates selbst dar-
stellt?” Trotzdem wurde die Kompetenz der Zivilgerichte zur
Beurteilung der fiskalischen Streitigkeiten nicht erschüttert.
Allein es galt nunmehr, die Herrschaft des Zivilrechts über den
Staat juristisch neu zu rechtfertigen. Diese Aufgabe hat die Theorie
übernommen, die bis zum heutigen Tag die deutsche Wissen-
schaft und Praxis beherrscht: Der verwaltende Staat lebt nach
zweierlei Recht, nach öffentlichem Recht und nach Privatrecht.
Für welche Verhältnisse öffentlichrechtliche Normen zur Anwen-
dung kommen, und für welche privatrechtliche, läßt sich durch
keine allgemeine Formel bestimmen. Das ist für jedes einzelne
Verhältnis auf Grund der historischen Entwicklung und der
geltenden Gesetzgebung besonders festzustellen.
Die Entwicklung des neunzehnten Jahrhunderts hat aber
vor den durch die Fiskustheorie gezeitigten Ergebnissen nicht
Halt gemacht. In steigendem Maße hat sich auch hier eine
öffentlichrechtliche Auffassung Geltung verschafft und eine Be-
freiung öffentlichrechtlicher Verhältnisse aus den privatrecht-
lichen Formen durchgesetzt.?® Die historische Priorität in diesem
Prozesse kommt der Theorie von den ‚gemischten Rechtsverhält-
nissen‘ zu. Sie lehrte, in bestimmten Rechtsinstituten, die man
28 H. A. Zachariae, Deutsches Staats- und Bundesrecht, 2. Aufl.,
1854, II S. 402, 403. Man vergleiche ferner z. B. G. v. Weiler, Über
Verwaltung und Justiz, 1830, S.8 $ 14: „Endlich kann auch der Staat
selbst, oder seine Vertreter in solche Rechtsgeschäfte eingehen, welche
im Privatrecht ihre Bestimmung erhalten. In diesem Falle
stellt der Staat selbst sich unter die Rechtswirkung des Privatrechts;
die Beziehung des Privatrechts auf den Staat ist zwar hier nicht im
Gesetze aufgestellt, aber der Staat fällt unter die Wirksamkeit des Ge-
setzes, weil er durch seine Handlung, wie jedes andre Rechtssubjekt, sich
darunter subsumiert. Dies sind die fiskalischen Rechte und Verbind-
lichkeiten,‘ welche, ungeachtet ihrer zufälligen und subjektiven Be-
ziehung auf den Staat, darum nicht dem öffentlichen Rechte, sondern
dem Privatrechte angehören.‘‘ Vgl. auch Wilhelm Josef Behr, Die Ver-
fassung und Verwaltung des Staats, Bd. II (1812) S. 107. Jellinek,
System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl.. 1905, S. 60.
29 Vgl. zum folgenden Fritz Fleiner, Über die Umbildung zivilrecht-
licher Institute durch das öffentliche Recht, 1906.