66 $ 4. Verwaltungsrecht.
Verwaltungsvorschriften müssen nicht notwendig in die Form
von Verwaltungsverordnungen eingekleidet werden. Sie können
auch in Gesetzen oder Rechtsverordnungen in engster Verbindung
mit Rechtssätzen enthalten sein.** Dann sind sie von diesen äußer-
lich nicht zu unterscheiden.‘ Es bleibt dann nichts anderes übrig,
als durch Auslegung festzustellen, ob ein Rechtsatz oder eine
instruktionelle Anweisung vorliegt.
Im Polizeistaat waren die meisten Normen, nach denen die
S.84. Reger, XXII S. 260 und Erg.Bd. III S. 169. Alfred Schulze,
Reichsbeamtengesetz, S. 41. Die erwähnten ‚Grundsätze‘ konnten m.
E. schon darum nur als Verwaltungsvorschriften in Betracht fallen,
weil sie nur im „Zentralblatt des Deutschen Reichs‘ waren verkündigt
worden und nicht im Reichsgesetzblatt, in welchem verfassungsmäßig
Rechtsverordnungen bekannt gemacht werden müssen. Laband, Staats-
recht, II® S. 183, Anmk. 3. — Die Frage erlangt u.a. praktische Be-
deutung auch dann, wenn Telegraphenbeamte den Text von Telegrammen
unrichtig wiedergegeben haben. In solchen Fällen ermitteln die Gerichte,
ob die vom schuldigen Beamten unbeachtet gelassenen Vorschriften der
„Dienstanweisung für Post- und Telegraphenbeamte‘“‘, sich bloß an die Be-
amten wenden oder ob sie Rechtsnormen enthalten, auf die sich auch die
Benutzer der Telegraphenanstalt berufen können. Vgl. darüber zwei
Urteile des Reichsgerichts aus dem Jahre 1904 im Sächs. Archiv für
Deutsches Bürgerl.Recht, Bd. 14 (1904) S. 356—360. Alfred Schulze,
Reichsbeamtengesetz, S. 88—89.
4 Zivil- und Strafprozeßordnung enthalten zahlreiche derartire
Vorschriften, die, nur an den Richter adressiert sind. Sie stellen
deshalb keine ‚‚revisibeln‘‘ Normen dar; das Reichsgericht ist nicht
befugt, zu prüfen, ob die Vorinstanzen die Norm richtig ausgelegt haben,
denn ihm steht nur eine revisio in iure zu. Heilbut, ‚Müssen‘ und
„Sollen“ in der ZPO. (Archiv für zivilist. Praxis, Bd. 69, S. 331). Selig-
mann, Beiträge zur Lehre vom Staatsgesetz und Staatsvertrag, I, 1886,
S. 40. — Andrer Ansicht: Hänel, Gesetz im formellen und materıellen
Sinn, $S. 245ff. Hänel führt aus: durch die Aufnahme in ein Gesetz erfahre
die Verwaltungsvorschrift eine fundamentale Veränderung ihrer Natur;
sie werde Rechtssatz.
4 Vgl. dazu die Bemerkungen von Otto Mayer, Deutsches Ver-
waltungsrecht, I S. 94: ‚„‚Gerade deshalb ist es wohl getan, daß aller Ge-
setzesinhalt ohne Unterschied zu feierlicher Veröffentlichung gelangt, wie
es eigentlich nur für Rechtssätze angemessen und notwendig iet. Wie
weit solche darunter sind, das wird sich zeigen, wenn das wirkliche Leben
die unberechenbare Mannigfaltigkeit seiner Gestaltungen und Verwick-
lungen diesen Bestimmungen entgegenwirft. Vorher braucht man es
auch nicht zu wissen.‘